SCHMELZ
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Widerstand und Naziterror
Vor 1935 bestanden in Bettingen,
Außen und in
Hüttersdorf starke und aktive Ortsgruppen der KPD. Mit der
Errichtung der
faschistischen Diktatur im Reich kam den Schmelzer Antifaschisten eine
besondere Aufgabe zu. Die nahe Grenze zwischen Michelbach und
Außen ließ hier
eine rege Grenzarbeit entstehen. Zudem bestand hier in der
Gastwirtschaft des
Sozialdemokraten Clemens Bernading, die genau an der Grenze zwischen
Schmelz
und Michelbach lag, ein wichtiger Stützpunkt für die
Antifaschisten.
Hauptsächlicher Organisator der Grenzarbeit war Josef Wagner,
der im Frühjahr 1933 sich durch einen Sprung aus dem
Küchenfenster
seiner Wohnung in Lockweiler vor der drohenden Verhaftung retten konnte
und bei
Altland die Grenze zum Saargebiet überschritt. Er fand im Haus
von Ludwig Spang
Unterkunft. Von hier aus organisierte er die Herausgabe des "Roten
Primstalboten", den Transport illegaler Schriften über die
Grenze und die
Kontakte zwischen den einzelnen Widerstandsgruppen im Reich und der
Bezirksleitung der KPD in Saarbrücken. Die Verbindung zur von
der Gestapo
überwachten Familie in Lockweiler hielt er u. a. über
seine damals 10-jährige
Tochter Maria. Diese trug nicht nur Wäsche und Lebensmittel
über die
"grüne Grenze" zu ihrem Vater, sondern versorgte auch
umgekehrt die
Lockweiler Genossen mit Flugblättern und Nachrichten aus dem
Saargebiet.
Flugblätter und Zeitungsmaterial wurden von den Schmelzer
Antifaschisten bis
weit in den Hochwald hineingetragen. Oft waren es Musiker, die ihre
Auftritte
in den Grenzdörfern nutzten, das Material an den Mann zu
bringen. Klaus Reinert
trug z.B. die Manuskripte in einem Geigenkasten nach Lockweiler, wo er
sie
einem SA-Mann (!) übergab, der für ihre Weiterleitung
sorgte. Der überall in
der Region verteilte "Rote Primstalbote" wurde alle zwei Monate im
Haus von Ernst Alois in Hüttersdorf hergestellt. Am 1.8.1933
wurden im Hof des
Gerichtsgefängnisses in Altona die vier Kommunisten August
Lüders, Walter
Möller, Bruno Tesch und Karl Wolff mit dem Handbeil
hingerichtet.
Vorausgegangen war ein Schauprozeß um den "Altonaer
Blutsonntag" vom
17.7.1932, wo SA und Polizei 15 Tote hinterlassen hatten. Der Tod
zweier
SA-Leute wurde den Kommunisten in die Schuhe geschoben. Das
Terrorurteil vom
1.8.1933 war der erste rechtlich sanktionierte Mord der faschistischen
Blutjustiz und erregte weithin großes Aufsehen. Schon im Juni
hatte die
"Rote Fahne", das Zentralorgan der KPD, das zu dieser Zeit in
Saarbrücken gedruckt wurde, gegen die Todesurteile
protestiert. Kuriere hatten
die Zeitung über die Grenze ins Reich geschmuggelt und
für ihre Verbreitung
gesorgt. Im Gedenken an die vier Ermordeten hißten die
Schmelzer Antifaschisten
im August 1933 auf dem höchsten Pappelbaum zwischen Schmelz
und Hüttersdorf bei
der Bettinger Mühle eine rote Fahne, die drei Tage und
Nächte bewacht wurde.
Auf dem Heimweg von der Fahnenwache wurde der junge Heinrich Scherer
aus
Hüttersdorf von einem angeblichen Wilderer erschossen, der
daraufhin zu 3
Jahren Gefängnis verurteilt, aber schon 1935 von den
Nazibehörden entlassen
wurde. Die Geschäftsstelle der SWV in
Hüttersdorf, geleitet von einem
Kommunisten, war allgemeiner Treffpunkt. In Außen und in
Limbach wurden im
Sommer 1934 offizielle Einheitsfrontkomitees gegründet. In
Außen fand auch eine
Großveranstaltung der Einheitsfront mit Max Braun und Fritz
Pfordt statt, den
Parteirepräsentanten von SPD und KPD. Die Nazis antworteten
mit Heimat- und
Musikabenden, so im Oktober 1934 im Gasthaus des Ortsgruppenleiters der
NSDAP,
Ganster. Dabei wurden Gäste, die sich beim Horst-Wessel-Lied
nicht von den
Plätzen erhoben, vom Wirt tätlich angegriffen und
bedroht. In Limbach
organisierte die KPD im Herbst 1934 eine Bauernversammlung; dabei wurde
ein
Bauernhilfskomitee gegründet. Claus Arenz begleitete
den Journalisten
Theodor Balk bei seinen Recherchen zu dem Buch
"Hier spricht die Saar".
Um über Vorhaben und Aktivitäten der Nazis besser
unterrichtet zu werden,
schleusten die Bettinger Kommunisten im November 1934 einen ihrer aus
Thailen
gebürtigen Genossen in die SA-Ortsgruppe Büschfeld
ein. Dabei ging es vor allem
darum, den Schutz Josef Wagners vor unerwarteten Machenschaften zu
verbessern.
Nach der "Rückgliederung" trat der Bettinger Genosse wieder
aus der
SA aus. Als die Nazis einen ihrer Propagandafilme zur
Aufführung im örtlichen
Kino ankündigten, konnte man wenige Tage später im
"Roten
Primstalboten" lesen, die Vorstellung finde nicht statt. Zum
angekündigten
Termin sorgte dann der Bergmann Adolf Schäfer (bis zur
Emigration 1935
KPD-Gemeinderat in Außen) mit einer Fahrradkette, die er
über die
Hochspannungsleitung warf, für einen Kurzschluß im
Stromnetz.
Unter den in Schmelz Zuflucht suchenden Reichsemigranten waren sowohl
Antifaschisten aus der nächsten Nachbarschaft wie Johann
Weyand aus Michelbach
als auch aus anderen Reichsgebieten wie der Aachener Bergmann Johann
Schwarz,
der in früheren Jahren in der Sowjetunion gearbeitet hatte und
nun den
Schmelzer Kommunisten über seine Erlebnisse in der Sowjetunion
berichten
konnte. In den letzten Tagen des Abstimmungskampfes nahm auch in
Schmelz der
Terror der Nazibanden zu. So wurde am 5.1.1935 das Haus eines
Antifaschisten
mit Steinen bombardiert. Freunde, die ihm zur Hilfe eilten, wurden von
der etwa
50 Mann starken Schlägerbande angegriffen. Dabei erhielt der
ältere Bergmann
Ludwig Spang eine lebensgefährliche
Halsschußverletzung. Die herbeigeeilten
Landjäger unterstützten jedoch nur die Nazis. Das
Verbrechen an Spang blieb
ungesühnt. Nach einer Versammlung des Statusquo am Abend des
9. Januar 1935
wurde Nikolaus Kuhn auf dem Heimweg in der Forsterstraße von
5 SS-Leuten
überfallen und so zusammengeschlagen, daß er bis zu
seiner Emigration am
19.1.1935 gehunfähig war.
Umso erschreckender ist es, wenn man noch 1973 in dem Schmelzer
Heimatbuch
lesen muß: "Als die Nazis am 1.März 1935 die
Herrschaft im Saargebiet
übernahmen, emigrierten einige Bürger aufgrund ihrer
bisherigen politischen
Einstellung nach Frankreich... Eine neue Staatsordnung war da und wurde
akzeptiert. Die Arbeitslosen bekamen Arbeit und ansonsten trat Ruhe und
Ordnung
ein." Unter den Emigranten des Jahres 1935 waren die ehemaligen
Gemeinderäte der KPD Peter Kuhn, Karl Schmitt und Johann
Eisenbarth, sowie die
aktiven Antifaschisten Nikolaus Kuhn, Nikolaus Christ, Matthias und
Emil Sinnwell
und Klaus Reinert. Die in ihrer Heimat Zurückgebliebenen gaben
ihren Widerstand
jedoch nicht auf. Die Schmelzer Kommunisten bildeten einen der 50
Stützpunkte
im Saargebiet, die engen Kontakt mit der Leitung ihrer Partei in
Forbach
hielten. So traf Claus Arenz zweimal in Forbach mit Otto Niebergall und
Josef
Wagnerzusammen, am 29.2.1936 und 9.8.1936. Josef Seiwert hatte am
5.2.1936 die
Grenzstelle in Forbach besucht und Zeitungsmaterial mitgenommen, u.a.
eine eben
erschienene Ausgabe der "Sozialistischen Aktion". Als Poststelle
für
den illegalen Grenzverkehr fungierte die Waschkaue der Grube in
Kleinrosseln.
Dort wurden auch die Listen in Empfang genommen, worin
mögliche Spitzel genannt
wurden oder Genossen, die aufgrund zu großer
Gefährdung ab sofort gemieden werden
sollten. Die Gestapo hatte die Aktivitäten der Schmelzer
Antifaschisten wohl
registriert. Dabei half ihr ein Verräter. Er führte
Buch über die
Grenzübertritte nach Frankreich, überbrachte
Zeitungen und Schriftenmaterial,
das ihm in die Hände kam und gab alle Kontakte der
Beobachteten weiter.
Insgesamt ließ die Gestapo zu diesem Zeitpunkt 83 Schmelzer
Bürger wegen ihrer
ehemaligen Zugehörigkeit zur KPD, SPD oder "Katholischen
Aktion"
überwachen. So kam es im Oktober 1936 zur Verhaftung von 16
Antifaschisten aus
Schmelz, unter ihnen Josef Seiwert (3 1/2 Jahre Zuchthaus, KZ Dachau,
999),
Claus Arenz (5 Jahre Zuchthaus Siegburg), Nikolaus Hermann (Zuchthaus
und KZ
bis 1943), Albert Wamsbach (3 1/2 Jahre Zuchthaus, KZ Sachsenhausen,
999).
Josef Seiwert, der von der Strafeinheit 999 zur Roten Armee
überlaufen konnte,
starb im Alter von 46 Jahren an den Folgen der erlittenen Haft. Eine
organisierte Widerstandstätigkeit war danach in Schmelz kaum
mehr möglich.
Über die vielen kleinen Formen des
persönlichen Widerstandes ist damit
natürlich nichts gesagt. So wurde am 1.9.1944 Heinrich
Müller (KPD) aus
Bettingen im KZ Neuengamme umgebracht, in das er wegen angeblicher
Arbeitsverweigerung eingeliefert worden war. Unter denen, die
Anfang 1935
nach Frankreich emigriert waren, finden sich erstaunlich viele, die ihr
Leben
im Kampf für Spaniens Freiheit ließen: Peter Harig
aus Michelbach, gefallen
1937, Josef Merten aus Außen, gefallen 17.11.1936, Ewald
Petry aus Limbach,
gefallen 1936, Ludwig Reinert aus Außen, gefallen
24.12.1937, Johann Schwarz,
Reichs- emigrant aus Außen, ermordet 5.9.1937 und Josef Graf
aus Limbach, 1936
bei einem angeblichen Fluchtversuch aus einem Gefangenenlager bei
Madrid
erschossen. Mathias Sinnwell, der sich 1935 mit seinem Bruder Emil
vorerst nach
Frankreich retten konnte, wurde dort 1941 verhaftet und am 15.3.1944 in
Mauthausen ermordet.
"Rassische" Verfolgung und
"Euthanasie"
Jüdische Gemeinden
bestanden in Bettingen und in
Hüttersdorf-Buprich. Gemeinsam benutzten sie die Synagoge in
Hüttersdorf (An
dem Wasem). Die Volkszählung von 1935 nennt für
Bettingen 26 und für
Hüttersdorf 20 Juden. Der größte Teil der
jüdischen Einwohner ist bald darauf
ausgewandert. In der Pogromnacht am 9.11.1938 wurde die über
80 Jahre alte Frau
Liffmann höhnend durch die Straßen geführt,
nachdem man ihr zuvor Rizinus
eingeflößt hatte. Zum Zeitpunkt der großen
Massendeportationen aus dem Saarland
im Oktober 1940 lebten in Schmelz keine Juden mehr. Im Dezember 1938
wurde nach
einer Aufstellung des Reichskommissars jüdischer Grundbesitz
in Hüttersdorf wie
folgt verplant: "Zunächst Erwerb
durch die Gemeinde und dann Weitergabe an Siedler. Es handelt sich um
sehr
sumpfiges, mit Weiden bestandenes Gelände in
Dorfnähe; die Gemeinde soll
früher die Hälfte käuflich erworben haben;
es sollen etwa 190 jüdische
Miteigentümer beteiligt sein." Mindestens 10
namentlich bekannte
Schmelzer Bürger wurden Opfer des
Massenmordes.
Konzentrationslager und
Zwangsarbeit
Auf dem Gelände der
heutigen Siedlung Schattertriesch
unterhielt der RAD ein großes Lager, in dem teilweise
für den Wehrmachtsbedarf
gearbeitet wurde. Fraglich ist, ob die Lagerinsassen auch im
nahegelegenen
Steinbruch der Bettinger Hartsteinwerke gearbeitet haben. Mindestens
seit August 1940 befand sich dort auch ein Außenkommando des
KZ
Hinzert. Die Häftlinge arbeiteten für die
Saarbrücker Firma Lenhard im
Bettinger Steinbruch. Da es sich bei den Hinzert-Häftlingen zu
diesem Zeitpunkt
hauptsächlich um sogenannte "Arbeitszöglinge" der OT
handelte, also
um deutsche Westwallarbeiter, die aus Gründen der
Widerstandstätigkeit, der
Sabotage oder angeblicher "Arbeitsbummelei" zur
"Arbeitserziehungshaft" nach Hinzert eingewiesen wurden, kann auch
von einer entsprechenden Zusammensetzung der Häftlinge des
Außenkommandos Michelbach
ausgegangen werden. Später erweiterte sich das Kontingent der
Häftlinge um
jüdische Gefangene, die aus anderen Lagern ausgesondert wurden
(so wurden aus
einem französischen Kriegsgefangenen Arbeitskommando in der
Körpricher
Backsteinfabrik Juden nach Michelbach verlegt) und seit 1941 um
sogenannte
"E-Polen". Belegt ist der Fall eines überlebenden polnischen
Bürgers,
wobei unklar ist, ob er dieser Gruppe zugerechnet werden kann. Bei den
E-Polen
handelte es sich um Zwangsarbeiter, die wegen Kontaktes mit einer
deutschen
Frau in die Fänge der Gestapo geraten waren. Da Verbindungen
zwischen Deutschen
und "Fremdrassigen" strengstens verboten waren, wurden im Reich
allein im April 1941 190 polnische Landarbeiter wegen
"Geschlechtsvergehens" öffentlich hingerichtet. Den
beteiligten
deutschen Frauen wurde in der Regel vor der versammelten weiblichen
Jugend des
Ortes der Kopf kahl geschoren und anschließend wurden sie in
ein KZ
eingewiesen. Mit einem Schnellbrief vom 5.6.1941 ordnete Himmler an,
die Polen,
die "nordischen Rasseneinschlag aufweisen, gut aussehen und auch
charakterlich sehr günstig beurteilt werden", nicht
hinzurichten, sondern
zur Überprüfung ihrer
"Eindeutschungsfähigkeit" in ein KZ
einzuliefern. Eine solche "Abteilung für
Eindeutschungsfähige", kurz
"E-Polen" genannte, wurde dann auch im Sommer in Hinzert
eingerichtet. Die Gruppe polnischer Häftlinge war in Hinzert
jedoch sehr
gering. Über die letzten Tage eines Lagers bei Schmelz berichtet
Maria Croon
in ihrem Buch "Die köstliche Mühsal":
"In der Nähe des Dorfes, wo Peter und Sybille Zuflucht
gefunden hatten,
war ein großes Lager mit russischen Kriegsgefangenen. Jeden
Tag wankte ein
langer Zug dieser entrechteten und halbverhungerten Menschen durch das
Dorf zu
ihrem Arbeitsplatz. Hohlwangig, manche bis zum Skelett abgemagert,
viele barfuß
und in Fetzen gehüllt, stolperten sie dahin, ein
gespensterhaftes Heer, an der
Grenze zwischen einem Elendsdasein und dem Tod. Mit den Augen hungriger
Tiere
warfen sie scheue Seitenblicke nach rechts und links, ob niemand da
sei, der
sich ihrer erbarme, der ihnen eine Brotkruste oder einen Apfel reiche.
Viele
hielten kleine Spielzeuge aus Holz, Blech oder Eisen in den
Händen, unnütze und
unbeholfen gefertigte Nichtigkeiten, die sie ohne Werkzeug in
mühseliger Arbeit
bastelten und die sie jetzt - Erbarmen heischend - anboten. Am
Straßenrand
standen Frauen und Kinder, unter den Schürzen verdeckt trugen
sie etwas Eßbares
oder ein altes Kleidungsstück, und wenn die Begleitposten
wegschauten -
anständige Männer taten das immer - dann steckten sie
den Armseligen ihre Gaben
zu. Es gab auch rohe Gesellen unter den Wachtposten, sie
brüllten die
Gefangenen an und verjagten die Barmherzigkeit an ihrem Weg. Gerade
dieses Lager der Armseligen wurde eines Tages von einem amerikanischen
Geschwader
furchtbar bombardiert. Hunderte der gefangenen Russen wurden von den Bomben zerfetzt,
viele
krochen in Blut und Wunden über Äcker und Wiesen, ja,
durch den breiten Fluß
und die Höhe hinan bis in ein kleines Bauerndorf. Ein
Forsthaus in der Nähe des
Lagers war nach dem Angriff geradezu überschwemmt von
Verwundeten, die
Förstersfrau war allein und die Situation war für sie
nicht ungefährlich.
Allein unter den Dutzenden von verzweifelten Menschen, denen alles
gleichgültig
geworden war, die vor ihrem Tode noch ein Stück Brot
essen wollten, einerlei
was dann käme. Die Försterin war eine tapfere und
eine gütige Frau. Notdürftig
verband sie die Verwundeten, dann schnitt sie ihren ganzen Brotvorrat
in
Scheiben, bestrich sie mit Schmalz oder Butter, verteilte sie unter die
unerwarteten Gäste und suchte dann auch noch andere
eßbare Dinge für sie
hervor.
Unter
ihnen war ein Jüngelchen, ein
schmächtiges Kerlchen aus Haut und Knochen - Gott
weiß, wie es mit seinen 14
oder 15 Jahren unter den Haufen geraten war - dem schaute der bittere
Hunger
aus dem ausgemergelten Gesicht. Nun saß es da, hielt beide
Hände vor den Leib
gepreßt und Fetzen seiner Hose und durch die Leinenbinde, die
die Frau um die
Wunde gelegt hatte und tropfte auf den Fußboden. Trotz der
Schmerzen schaute
der Junge auf ihre Hände, als sie die Brote verteilte.
"Hunger",
lallte er; seit Jahr und Tag hatte er immer nur Hunger, Tag und Nacht
Hunger.
Gierig führte er es zum Munde, er biß hastig hinein,
kaute, schluckte, aber
kaum, daß der erste Bissen auf seinen Weg zum Magen gekommen
war, da verzerrte
sich sein Gesicht in höchstem Schmerz, und das Brot, das
herrliche Butterbrot,
von dem der Junge seit Monaten Tag und Nacht geträumt hatte,
entfiel seiner
Hand. Da fing das Bürschchen an zu weinen, nicht laut, dazu
war es schon zu
schwach, es war ein Wimmern, gleichmäßig und
hoffnungslos. Es blieb ihm nichts
mehr, dem kleinen verhungerten Iwan, als der grausam wütende
Schmerz und danach
der Tod." 222 Tote dieses amerikanischen Bombenangriffes am
11.1.1945
wurden nach 1945 auf den Ehrenfriedhof Besch umgebettet.
In Schmelz wird seitdem das Vergessen gepflegt.
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