Schmelz (Kreis Saarlouis)

I. Verfolgung und Terror

In Bettingen und Hüttersdorf-Buprich bestanden bei der Rückgliederung des Saargebietes jüdische Gemeinden. Nach der Volkszählung von 1935 lebten dort zu diesem Zeitpunkt insgesamt 46 Juden, von denen die meisten jedoch bald darauf auswanderten. Im Jahre 1938 waren auf dem heutigen Gemeindegebiet nur noch die beiden jüdischen Familien Marx und Liffmann zurückgeblieben. Die Häuser dieser beiden Familien waren auch die Ziele der Übergriffe in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Eine Gruppe von Parteigenossen um den Hütterdorfer Ortsgruppenleiter hängte die Fensterläden der Wohnhäuser aus und warf die Scheiben ein; Die Wände des Hauses Liffmann wurden mit NS-Parolen beschmiert. Am Morgen des 10. November wurden Alfred Liffmann und Julius Marx verhaftet und nach Saarbrücken transportiert; ihre Einlieferung nach Dachau erfolgte kurze Zeit später.

Auf Anordnung des Kreisleiters Schubert, dem diese Aktionen nicht weit genug gegangen waren, drangen noch am selben Abend NSDAP-Mitglieder unter der Führung des Ortsgruppenleiters in das Haus Liffmann ein und mißhandelten die dort verbliebenen weiblichen Familienmitglieder, darunter Frau Liffmann und ihre 17jährige Tochter Clemi. Den Frauen wurde altes Rizinusöl verabreicht, Frau Paula Marx mit einem Knüppel geschlagen; ein SA-Mann, der den Frauen beistehen wollte, wurde ebenfalls geschlagen und aus dem Haus vertrieben. Am nächsten Morgen wurden die beiden Familien mit dem Allernötigsten an Kleidern und Wäsche zum Bahnhof gebracht und aus Schmelz abgeschoben.

Die Terrormaßnahmen der Nationalsozialisten richteten sich daneben verstärkt gegen Schmelzer Kommunisten, gerade während des Abstimmungskampfes. Nikolaus Kuhn etwa wurde am 9. Januar 1935 auf dem Heimweg von einer Versammlung des ‚Statusquo’ von fünf SS-Leuten überfallen und so zusammengeschlagen, dass er bis zu seiner Emigration am 19. Januar nicht gehen konnte.


II. Zwangsarbeit und Konzentrationslager

Der Reichsarbeitsdienst (RAD) unterhielt ein großes Lager auf dem Gelände der heutigen Siedlung Schattertriesch; die Insassen eines Außenkommandos des KZ Hinzert, das sich ab 1940 ebenfalls an dieser Stelle befand, arbeiteten für die Saarbrücker Firma Lenhard im Bettinger Steinbruch. Seit 1940 bestanden daneben französische Kriegsgefangenen-Kommandos in Bettingen und Außen; auch ein ‚Ostarbeiterlager’ in Bettingen ist für das Jahr 1944 belegt. Insgesamt 27 Sowjetbürger sind in den Jahren 1942-1944 in einem Lager in Außen umgekommen; die zunächst in einem Massenrab unweit des Lagers verscharrten Toten wurden nach Kriegsende auf den Ehrenfriedhof Besch umgebettet. Zwischen Hütterdorf und Körpich (Höhe Hubertushof) befinden sich noch heute Barackenreste eines ehemaligen Lagers des RAD, das später auch als ‚Ostarbeiterlager’ diente. Dieses Lager wurde am 11. Januar 1945 Ziel eines amerikanischen Bombenangriffs, bei dem 222 Menschen ums Leben kamen.


III. Dissens, Verweigerung und Widerstand

In Bettingen, Außen und Hüttersdorf bestanden vor 1935 aktive KPD-Ortsgruppen, die sich vor allem in der illegalen Grenzarbeit betätigten, so etwa zwischen Michelbach und Außen. Kopf und wichtigster Organisator dieser Tätigkeiten war Josef Wagner, der am 1. September 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Wagner stammte aus Lockweiler/Krettnich in der heutigen Gemeinde Wadern. Seit 1919 war der Bergmann Gewerkschaftsmitglied, seit 1924 auch Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Bereits fünf Jahre später wurde er als Abgeordneter seiner Partei in den Gemeinde- und Kreisrat gewählt und stieg 1931 in die Bezirksleitung Saar-Nahe der KPD auf. Im März 1933 konnte Wagner sich seiner Verhaftung durch die Gestapo durch Flucht ins außerhalb des Reichsgebietes gelegenen Schmelz entziehen; seine Frau Helene, genannt Lena, die nach Josef Wagner auch selbst der KPD beigetreten war, wurde in ‚Schutzhaft’ genommen, um Druck auf Wagner ausüben zu können. Dieser organisierte von Schmelz aus die Herausgabe des illegalen ‚Roten Primstalboten’ und knüpfte neue Verbindungen zu Widerstandsgruppen im Deutschen Reich.

Nach ihrer Freilassung wurde Lena Wagner verboten, ohne Genehmigung der Polizeiverwaltung den ‚Restkreis Merzig-Wadern’ zu verlassen, bzw. sich im Grenzort Michelbach oder dem Saargebiet aufzuhalten. Daher übernahm die damals zehnjährige Tochter Maria den Transport der illegalen Schriften ins Reichsgebiet: Auf dem Hinweg ins Saargebiet versorgte sie ihren Vater mit Wäsche und Lebensmitteln, auf dem Rückweg die Genossen in Lockweiler mit Flugblättern und Nachrichten. Alle Versuche, Wagner auf Reichsgebiet zu locken, um ihn dort festnehemen zu können scheiterten. Als der Druck auf die Familie immer mehr wuchs, emigrierten auch Lena und Maria nach Schmelz; von dort führte sie ihr weiterer Weg am 17. Januar 1935 ins Exil nach Frankreich. Durch den Kriegsbeginn sowie die Internierung Josef Wagners und seine Deportation in den Süden Frankreichs wurde die Familie getrennt. Am 16. Juli 1942 wurde Josef Wagner der Gestapo übergeben und über Paris nach Saarbrücken gebracht. Auch der Verteidiger aus Saarbrücken, der den Pflichtverteidiger ersetzte und für den sich die Schwiegermutter und Geschwister Wagners eingesetzt hatten, konnte das Todesurteil nicht abwenden, das der Volksgerichtshof am 21. April 1943 fällte und am 1. September desselben Jahres in Berlin-Plötzensee vollstrecken ließ.

Der organisierte Widerstand der nach 1935 auf Reichsgebiet verbliebenen Schmelzer Kommunisten war schon im Oktober 1936 praktisch zusammengebrochen. Ein Verräter hatte Buch geführt über sämtliche illegalen Grenzübertritte sowie den Transport verbotener Schriften und diese Informationen an die Gestapo weitergeleitet: Sechzehn Kommunisten wurden verhaftet und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, bzw. in die Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen deportiert, darunter Josef Seiwert, Claus Arenz, Nikolaus Herrmann und Albert Wamsbach.


IV. Literatur- und Quellenangaben