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Thunderbolt Absturz bei Aussen

Die Fliegende Festung vom Hahnenwald.

von Roland Geiger

Über den Absturz eines amerikanischen Bombers und das Schicksal seiner Besatzung zwischen Hüttersdorf und Primsweiler am 3. August 1944.

Seit ihrer Landung in der Normandie am Morgen des 6. Juni 1944 befanden sich die Alliierten Bodentruppen in ständigem Vormarsch durch Frankreich in Richtung West­deutschland. Die zu ihrer Unterstützung eingesetzten amerikanischen Luftwaffen­verbände konzentrierten ihre Angriffe deshalb auch vor allem auf militärisch be­deutsame Ziele in Mittel- und Ostfrankreich sowie im südwestdeutschen Grenzraum. Schon Tausende von Einsätzen hatten die US-Bomber in den zurückliegenden Wo­chen gegen Flugplätze, Nachschublager, Brücken und Bahnanlagen in diesem Ge­biet geflogen.
Auch für den 3. August 1944 hatte die „Achte US-Luftflotte " wieder eine Großoffensive geplant: Insgesamt 37 Ziele waren für die 1.068 Viermotorigen ausge­sucht, die an diesem Tag in England an den Start gingen. Darunter befanden sich 345 „Fliegende Festungen", von denen 273 die ANTAR-Raffinerie in Merkwiller, den Flugplatz Toul/Croix de Metz sowie die Verschiebebahnhöfe in Mühlhausen und Straßburg-Hausbergen bombardieren sollten, während die übrigen 72 den Verschie­bebahnhof Saarbrücken zugewiesen bekamen. Dieses Ziel war von den Amerika­nern wegen seiner hohen Durchgangskapazität von schätzungsweise 6.000 Wagen pro Tag und wegen seiner umfangreichen Reparaturwerkstätten für Lokomotiven und sonstiges rollendes Material als besonders wichtig eingestuft worden.
Der Warnstelle Ottweiler waren die mehr als 300 Bomber schon um 14.06 Uhr gemeldet worden, als sie Maastricht/Belgien mit Südostkurs überflogen. Als die Flug­melder kurz darauf um 14.10 Uhr feststellten, daß sich die Maschinen „ unserem Warngebiet nähern ", wurde um 14.12 Uhr auch für Saarbrücken „Fliegeralarm " gegeben. Die anschließend in Ottweiler eingehenden Meldungen zeigten, daß die Verbände immer noch dicht beieinander flogen und weiterhin südöstlichen Kurs ein­hielten. Aber plötzlich, um 14.54 Uhr, wurde eine der Bombergruppen zwischen Landstuhl und Kaiserslautern mit „ wechselndem Kurs " erkannt. Elf Minuten später befand sich dieser Verband bereits „ im Anflug auf Saarbrücken ", und um 15.13 Uhr wurde „Flakfeuer über Saarbrücken" durchgegeben. Um 15.15 Uhr war die „ Luftlage unverändert - Flugzeuge über Saarbrücken ". Um 15.16 Uhr hieß es dann: „Bombenwürfe im Raum Saarbrücken ", eine Meldung, die um 15.17 Uhr wieder­holt wurde. Nach weiteren drei Minuten erfuhr die Warnstelle: „Flugzeuge kreisen im Raum Saarbrücken - Bombenwürfe auf Burbacher Hütte und Bahnhofsgelände ". Diese Feststellungen stimmen zeitlich haargenau mit dem Kampfbericht der 1. US-Bomberdivision überein, demzufolge zwischen 15.15 und 15.20 Uhr 70 ,, Fliegende Festungen " 423 Fünfhundert Pfund und 207 Tausend Pfund Sprengbomben im Gesamtgewicht von rund 190 Tonnen auf Saarbrücken abgeworfen hatten. Eine B-l 7 erhielt Flaktreffer und stürzte um 15.21 Uhr drei Kilometer nordwestlich von Lebach ab.

Der Bomber hieß „Slowball", und sein Absturzort lag östlich von Hüttersdorf nahe dem Forsthaus „Horrido".
Werner Eckel aus Limbach, Verfasser des Buches „Saarbrücken im Luftkrieg", aus dem der vorhergehende Text mit freundlicher Genehmigung des Autors zitiert wurde (S. 135 f.), schickte mir im Sommer 1996 eine Kopie der Verlustmeldung zu, die dieses Flugzeug betraf und die er aus den National Archives in der US-Bundes­hauptstadt Washington, DC, als Microfiche erhalten hatte. Ich war zu diesem Zeit­punkt damit beschäftigt, alle Arten von Informationen über abgestürzte Flugzeuge und deren Besatzungen während des 2. Weltkrieges in Kreis St. Wendel (und Umge­bung) zu sammeln, tatkräftig unterstützt von meinem Freund Klaus Zimmer aus St. Ingbert-Hassel, der auf dem gleichen Gebiet im übrigen Saarland tätig war.
In dieser Verlustmeldung - dem sog. „Missing-Air-Crew-Report" - sind neben den Daten zum Einsatz, des Flugzeuges und seiner Zugehörigkeit auch Informatio­nen über die Besatzung genannt, auch deren Anschriften zur Zeit des 2. Weltkrieges.
Nach dem Abschuß eines Flugzeuges oder der Gefangennahme der Besatzungen wurden die Besatzungen durchsucht und aller Dokumente, Pässe, Briefe, natürlich auch Geld, Photos, ja jedes Stückchens beschriebenen Papiers entledigt. Diese Un­terlagen kamen zur Auswertestelle West in Oberursel, wo später auch die Gefange­nen von englischsprachigen deutschen Soldaten verhört wurden. All diese Papiere sowie zugehörige Telegramme, Briefe und Meldungen wurden in Akten abgelegt und mit einer Registriernummer versehen. Gehörte die Besatzung zu einem ameri­kanischen Bomber, hieß die Akte „KU" plus laufende Nummer (KU = Kampfflug­zeuge USA). Ein abgeschossener Jäger erhielt ein „J" + laufende Nummer (J = Jäger). Nach der Besetzung Deutschlands durch die Amerikaner wurden die Akten in Oberursel ausgehoben und in die Vereinigten Staaten überführt (was gut war, sonst wären sie heute vermutlich längst vernichtet). Dort werden sie bis heute in den National Archives aufbewahrt und sind gegen Entgelt als Kopien dort erhältlich man muß nur wissen, nach was man sucht.
Die Akte der Besatzung der „Slow Ball" erhielt das Aktenkennzeichen KU 2615.
Wir verglichen die Namen und Anschriften von damals mit aktuellen Namen und ähnlichen Anschriften und konnten durch Telefonate nach Amerika eines der Besatzungsmitglieder ausfindig machen. Mittlerweile haben wir fünf Besatzungs­mitglieder gefunden. Drei waren verstorben, der Co-Pilot, mit dem ich Ende Mai Kontakt aufnehmen konnte, starb am letzten Wochenende im Juni, und einer -Williamson - will wohl nicht gefunden werden.
Alle fünf Männer waren mehr oder minder stark interessiert, über ihre Erfahrun­gen zu sprechen und diese auch teilweise niederzuschreiben
George O. Cobb, der Bombenschütze, begann seine Schilderung der Ereignisse mit den Worten: Lieber Roland,

heute habe ich deinen interessanten Brief erhalten. Um es gleich zu sagen, er hat mich dazu gebracht, einige Erinnerungen wieder zurückzurufen, die sehr tief in meinem Gedächtnis vergraben waren. Ich werde versuchen, mich zurückzuversetzen und sie aufzuarbeiten, so gut es mir möglich ist. Aber zuerst sollte ich etwas über meinen Hintergrund erklären und wie mein Gedächtnis und mein Leben mich selten dazu brachten, an diese Tage zu denken und fast nie darüber zu reden.
Ich bin fast 82 Jahre alt, spiele sehr aktiv Golf, Softball, Bowling und verrichte außerdem freiwilligen Dienst in einem Veteranenkrankenhaus. Ich bin seit 52 Jahren mit der gleichen wundervollen Frau verheiratet, habe zwei Söhne, und das ist der Grund, warum ich nur wenig Zeit habe, an meine Vergangenheit zu denken. Meine Großmutter stammte aus Deutschland, Wilhelmina Becker, und deshalb hatte ich Deutsch als Fremdsprache auf der High Schoo! Deshalb konnte ich auch ein biß­chen deine Sprache sprechen. Ich kann mich an Ereignisse und Geschehnisse erin­nern, aber nicht an Namen von Orten oder Daten. Ich habe den Beitrag von Billy Hardesty gelesen und möchte sagen, daß er das toll gemacht hat und die Angaben, die er machte, korrekt sind.

Ich habe die Briefe aus dem Englischen übersetzt und sie mit deutschen Augenzeugenaussagen verglichen. Einiges paßt sehr gut zueinander, bei anderem gibt es deutliche Abweichungen, hervorgerufen durch den zeitlichen Abstand von jetzt 54 Jahren und durch die unterschiedliche Betrachtungsweise: Auf der einen Seite die Amerikaner, die nach der Todesangst im brennenden Flugzeug, am Fall­schirm und bei der Begegnung mit den und der Behandlung durch die Deutschen die Geschehnisse anders erlebten als die deutschen Zivilisten, die teilweise damals noch Kinder in einer Zeit des Schreckens und der Angst Eindrücke erfuhren, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellten. 

Das Flugzeug
Die Boeing B-l 7 (das „B" steht für „Bomber") war ein schwerer viermotoriger Bom­ber, der bei einem Startgewicht von 29,7 Tonnen in, acht Kilometern Höhe eine Höchstgeschwindigkeit von 486 km/h erreichen konnte.

 Das 23 Meter lange Flug­zeug hatte eine Besatzung von normalerweise 10 Mann: der Bombenschütze (1) und der Navigator (2) saßen in der Flugzeugnase; der Pilot und der Copilot im Cockpit (3), direkt dahinter befand sich die Kampfstellung des Oberen Turmschützen (4), gleichzeitig der Bordmechaniker; hinter seiner Position befand sich der Bomben­schacht, der bis zu 1,8 to Bomben aufnehmen konnte. Dem Bombenschacht schloß sich die Funkerkabine (5) an und dann das Mitteldeck. Hier hielten sich drei Mann auf: jeweils ein Seitenschütze (7) nach links und rechts und im unten angehängten Kugelturm ein weiterer MG-Schütze (6). Letzter Mann ganz hinten war der Heck­schütze (8), der das Flugzeug gegen Gefahr von hinten verteidigte. Im August 1944 hatte sich die Gefahr deutscher Jagdflugzeuge deutlich verringert, weshalb nur noch ein Seitenschütze eingesetzt wurde, der jetzt beide Seiten deckte. Außer den beiden Piloten war jeder Mann mit einem einfachen oder doppelten Maschinengewehr vom Kaliber 0.50 ausgerüstet. Dieser starken Defensiv-Feuerkraft verdankte das Flug­zeug seinen Name
„Fliegende Festung".
Die B-l 7 von Hüttersdorf war ein G-Modell und gehörte damit zur modernsten Version der B-17-Baureihe. Das Hauptmerkmal dieses Modells war eine Geschütz­kanzel, der mit einem Doppel-Maschinengewehr zum Schutz gegen frontal angrei­fende feindliche Jäger ausgestattet und unter der Nase des Flugzeuges montiert war.
Das Flugzeug war am 2. Dezember 1943 von der Hersteller-Firma Boeing an das Militär ausgeliefert worden, kam am 31.12.1943 in England an und wurde knapp 14 Tage später der 35Ist Bomb Group, 51st Bomb Squadron übergeben, die auf dem Flugplatz Polebrook in Northamptonshire stationiert war. Seine Schwanzfinne zier­te ein schwarzes „J" in weißem Dreieck, das Symbol der 351st Bomb Group. Un­mittelbar darunter war seine Army-Seriennummer zu lesen: 297492, darunter der Buchstabe „B". Eine der ersten Besatzungen, die es flog, gab ihm den Spitznamen „Slow Ball" (Langsamer Ball).
Das Angriffsziel der 351st Bomb Group am frühen Nachmittag des 3. August 1944 war der Verschiebebahnhof von Saarbrücken. Der Bombenabwurf war für 15.15 Uhr geplant. 

Der Flug
Die Besatzung der „Slow Ball" bestand aus 9 Mann:
Alle Besatzungsmitglieder befanden sich auf ihrem 13. Einsatz mit Ausnahme des Heckschützen James O. Atkins. Er sprang als Ersatzmann für den krank­ gewordenen Heckschützen ein. Atkins war mit 31. Einsätzen schon fast ein Veteran - noch vier weitere Einsätze, dann durfte er nachhause. Dies war sein 2. Einsatz mit der Brackens-Crew; vor ein paar Wochen war er mit ihnen zusammen nach Peenemünde geflogen. 

 

Name

Vorname

Rang

Dienstnummer

Pilot

Brackens

Ralph S.

2Lt

O-815063 *10.01.1921

Co-Pilot

Beals

William M.

2Lt

O-460767

Navigator

Mosely

Daniel W.

2Lt

O-707306 *17.11.1919

Bombenschütze

Cobb

George O.

2 Lt

O-701445 *1916

Oberer MG-Turm

Williamson

William F.

SSgt

37503239

Funker

Hardesty

Billy M.

SSgt

37514205

Seitenschütze

McCrary

George A.

Sgt

14149527

Kugelturmschütze

Mattice

Robert F.

Sgt

32745939 *23.02.1924

Heckenschütze

Atkins

James O.

SSgt

7084788




Die Flugzeuge der 351st Bomb Group starteten gegen Mittag von ihrer Basis nahe Polebrook in Ostengland und formierten sich in der Luft - drei Flugzeuge schlossen sich zu einer „Box" zusammen, wobei das mittlere Flugzeug vornweg ­flog, mit einem Flügelmann rechts dahinter und etwas höher fliegend und einem linken Flügelmann, links dahinter und etwas tiefer fliegend. Drei „Boxen formier­ten sich zu einer „Squadron", wiederum eine in der Führung und jeweils eine rechts drüber und eine links drunter. Diese Figur setzte sich auch in den nächst größeren Zusammenschlüssen fort, als sich drei „Squadrons" zu einer „Group" und drei „Groups" zu einer „Combat Wing" zusammenschlossen.
Die „Slow Ball" war die rechte Flügelmaschine in der „High Box", „High Squadron", „High Group", der 94. „Combat Wing" (siehe Darstellung). 
Die Flugroute führte über Belgien und Luxemburg bis nördlich von Saarbrücken in etwa 8.600 m Höhe. Nach weiteren 40 km drehte die Formation um etwa 180 Grad und flog Richtung Ziel in nordwestlicher Richtung. Sie erreichte den Zielanflugspunkt („Initial Point") und gerieten fast sofort in das heftige Feuer der Schweren Saarbrücker Flakbatterien. Unmittelbar nach Abwurf der Bomben wurde die „Slow Ball" getroffen: 

Abschuß und Absprung
Bestandteil der amerikanischen Verlustmeldung ist der Abschußbericht der Saarbrücker Flakstellung (KU 2615):

Schweres Flak Battaillon 631 04. August 1944
betr.: Abschuß einer Fortress II nahe Lebach am 3.8.1944, 15.21 Uhr an: Dulag West, Informationszentrum, Oberursel 
Während des Luftangriffs auf Saarbrücken am 3.8.44 schoß das Schwere Flak Bn 631 ein feindliches Flugzeug vom Typ Fortress Ii um 15.21 Uhr ab.

Nach Augenzeu­genberichten explodierte es in einer Stichflamme und zerlegte sich vollständig in der Luft. 8 Piloten konnten sich mit dem Fallschirm retten.
Die folgenden Besat­zungsmitglieder wurden gefangen genommen:
McCrary  George   Feldwebel 15.30 Uhr im Umkreis um den Absturzort
Cobb III George C. Oberleutnant 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Williamson William Stabsfeldwebel 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Hardesty Billy M. Stabsfeldwebel 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Atkins James O. Stabsfeldwebel 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Beals William M, Leutnant. 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Mattice  Robert F. Feldwebel 15.30 Uhr nahe dem Absturzort                                                                                                                                          
Brackens  Ralph F.  Oberleutnant 15.30 Uhr nahe dem 
Absturzort (verletzt)                                                                                                                              

Die Gefangenen haben Frakturen an den Beinen und Gelenken. Alle Gefangenen weigerten sich, Angaben über den Flugplan ihres Flugzeuges abzugeben. Trotz wie­derholter Anfragen hat die Polizeibehörde von Lebach das persönliche Eigentum, das man ihnen abgenommen hat, noch nicht abgesandt. Diese Dienststelle hat die Gefangenen in Verwahrung genommen. (Unterschrift nicht lesbar)

Nach Abschluß des Einsatzes am späten Nachmittag in England meldeten die Heckschützen zweier Flugzeuge, die ebenfalls an der Mission teilgenommen hat­ten, den Abschuß der Slowball:
SSgt Thomas R. Sowell:

Ich, Thomas R. Sowell, flog als Heckschütze des Flugzeuges 43-37862, das sich in Nr. 3 Position, High Squadron, Low Box auf einem Einsatz nach Saarbrücken, Deutschland, am 3. August 1944 befand. Während des Zielanfluges wurde unsere Formation durch Flak angegriffen, und ich sah, wie Lt. Brackens Flugzeug, das in der High Squadron über mir flog, getroffen wurde und zu rauchen anfing. Motor Nr. 3 wurde in Brand geschossen. Es fiel aus der Formation und begann zu sinken. Während seines Sinkens sah ich einen (1) Fallschirm aus dem Flugzeug kommen.
Das Flugzeug sank weiter und kam schließlich außer Sicht. Es schien so, als ob er in einem zu steilen Sinkflug sei, als das es unter Kontrolle gewesen sein könnte. Ich hörte nichts über Funk.

SSgt Leon W. Casto:
Ich, Leon F. Casto, flog als Heckschütze im Flugzeug Nr. 43-37571 (Führungsflugzeug der High Squadron, High Box) einen Einsatz nach Saarbrücken, Deutschland, am 3. August 1944. Kurz nach dem Bombenabwurf sah ich, daß Lt. Brackens, der zu mei­ner Rechten flog, von der Flak getroffen wurde. Ich schaute und konnte Flammen aus der Tragfläche hinter Motor Nr. 3 kommen sehen. Er fiel in den hinteren Teil der Formation und begann dann, an Höhe zu verlieren. Kurz bevor das Flugzeug zu sinken begann, sah ich einen Fallschirm sich davon lösen. Der Pilot versuchte dann scheinbar, das Flugzeug wieder in die Formation zurückzubringen, schaffte es aber nicht. Es sank weiter, und dann explodierte das Flugzeug mitten in der Luft, kurz bevor es in eine Wolkenbank sank. Ich sah definitiv brennende Teile über den ganzen Himmel zerstreut, nachdem es explodiert war. Ich hörte nichts über Funk.
Die Minuten zwischen Getroffenwerden, Absprung und Landung auf dem Bo­den erlebte jedes Besatzungsmitglied der Slowball auf seine eigene Art und Weise.
Heckschütze James O. Atkins

Als wir im Zielgebiet ankamen, gerieten wir allmählich in ziemlich heftiges Flak-Feuer. Auf dem ganzen Weg waren wir nicht auf Jäger gestoßen. Die letzten Worte, die ich über den Bordfunk hörte, waren ,,Bomben ab!", dann brach die Hölle los. Wir erhielten drei direkte Treffer durch 8.8-Kanonen, eins-zwei-drei innerhalb von fünf Sekunden. Das Flugzeug glitt nach rechts und ging dann in einem steilen Tru­deln nach unten. Motor Nr. 3 brannte, und Flammen schössen nach hinten in Rich­tung des Hecks. Ich schaute nach vorne ins Mitteldeck und sah, wie andere Crew­mitglieder ausstiegen. Ich zog mich nach vorne bis zur Mitteldeck-Luke und sprang ab. Ich sprang durch die Flammen des brennenden Motors und fühlte die Erschütte­rung, als das Flugzeug explodierte. Ich zog meine Reißleine, und der Fallschirm öffnete sich. Das schien jedenfalls so, denn ich hörte nichts. Ich hatte nicht bemerkt, daß ich an vier Stellen von Flaksplittern getroffen worden war und auf dem Weg nach unten schlimm blutete.

Funker Billy Hardesty
Es gab keine besonderen Vorkommnisse während des Starts oder beim Überqueren des Kanals. Wir versuchten die ganze Zeit, bei der Formation zu bleiben. „ Slow Ball" war nicht nur ein Spitzname, es war eine sehr langsame B-l 7G. Als wir den IP zum Zielanflug erreichen, stießen wir auf Flak, erhielten aber keine Treffer. Mein Job war es, die Bomben fallen zu sehen und ihnen bis ins Ziel mit den Augen zu folgen. Nachdem die Bomben los waren und bevor sie den Boden trafen, erhielten wir einen direkten Treffer in den Innenmotor auf der Steuerbordseite (Nummer drei).
Es muß den Propeller-Regler getroffen haben, denn wir hatten nun einen Propeller, der außer Kontrolle rotierte, und ein großes Feuer. Der Co-Pilot schrie durchs Intercom: „ Wir müssen raus aus diesem Hurensohn!" Und sofort hinterher: „ Nicht beachten!"
Innerhalb weniger Sekunden gab es einen Treffer im Bombenschacht und einen weiteren in der Funkerkabine. Ich hatte meinen Fallschirm noch nicht an, sondern nur das Gurtwerk. Als ich mich umdrehte, um meinen Brustfallschirm aufzunehmen, brannte dieser. Die Funkerkabine und der Bombenschacht waren so blau, als ob man unter einer Zinnkanne einen großen Berg Chinakracher angezündet hätte. Ich schlug das Feuer an den Seilen meines Fallschirms aus und zog den Fallschirm an. Wir gingen außer Kontrolle runter. Ich half mit, ein Crewmitglied mit geöffnetem Fallschirm zur hinteren Tür zu zerren, und stieß ihn hinaus. Er lebte. Wir brannten sehr stark. Der Bordmechaniker stand im vorderen Teil des Bombenschachtes. Wir winkten uns zu; er sprang aus dem Bombenschacht, und ich sprang durch die hinte­re Ausstiegsluke durch eine Feuerwand. Das Flugzeug explodierte, als der Bordme­chaniker und ich durch das Feuer waren. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 4 Mann an Bord, als es explodierte. Alle überlebten.

Bombenschütze Cobb
Der Tag unseres Einsatzes auf den Verschiebebahnhof von Saarbrücken war am 3. August, dem Geburtstag meines ältesten Sohnes. Wir flogen in der B-17SLOWBALL. Ich hatte unsere Bomben abgeworfen, und die Flack traf uns schwer direkt danach. Wir wurden in Motor Nummer Drei getroffen (innenbords rechts), der anfing zu brennen. Der Pilot Ralph Brackens versuchte es zu löschen, schaffte das aber nicht, auch nicht, als er das Flugzeug in einen Sturzflug brachte. Ich befand mich in der Flugzeugnase mit dem Rücken zur Plexiglaskanzel, als der Absprungbefehl kam. Ich trug meinen Brustfallschirm nicht, weil ich sonst das Bombenzielgerät nicht richtig bedienen konnte. In diesen paar schrecklichen Sekunden gab mir Doc Mosely meinen Fallschirm und rettete mir damit vermutlich das Leben. Ich ließ den Haken des Fallschirms in den rechten Ring meines Gurtwerks einschnappen. In diesem Moment schleuderte mich die Explosion mit solcher Gewalt nach hinten, daß ich mit dem Rücken und meinem Oberkörper in die Glaskanzel flog und das Bewußtsein verlor. Als ich zu mir kam, fiel ich durch die Luft nach unten, und ich fühlte nach meinem Fallschirm, und da war nichts. Ich konnte mich einen Moment lang nicht erinnern und dachte, ich hätte vergessen ihn anzuziehen. So viele Dinge gingen mir durch den Kopf, aber hauptsächlich, wie schlecht sich meine Familie fühlen wird, wenn sie von meinem Tod erfährt. Dann fühlte ich etwas über mir, der Ring meines Gurtwerks hatte sich gelöst, und der Fallschirm tanzte über meinem Kopf. Natürlich war ich glücklich darüber, ihn herunterziehen, an der anderen Seite einhaken und die Reißleine ziehen zu können. Als ich nach oben schaute, konnte ich das Flugzeug schnell trudeln sehen, und kein Fallschirm befand sich in seiner Nähe. Dann bra­chen die Tragflächen ab, das Trudeln hörte auf, und Brackens konnte abspringen. Als ich hinunterkam, konnte ich das Schwirren von Kugeln um mich herum hören, deshalb begann ich, mich von einer Seite zur anderen zu schwingen, und glückli­cherweise traf mich keine Kugel. (Auf die Fallschirmspringer wurde nicht geschos­sen; bei den herumschwirrenden Kugeln handelte es sich wahrscheinlich zum Wrack­teile bzw. explodierende Munition
Co-Pilot Beals

Als das Flugzeug getroffen wurde, geriet ich in Panik und eilte mit meinem Fall­schirm hinunter zur vorderen Luke (nose hatch). Dort wurde ich wieder etwas ruhi­ger, besann mich und stieg zurück auf den Co-Pilotensitz. Etwas später sagte Brackens dann zu mir: ,, Mach, daß du rauskommst!" Ich stieg hinunter in die Flugzeugnase und sah, daß das Plexiglas in der Nase nicht mehr da war. Ich kletterte nach vorne und sprang durch das große Loch hindurch. Das Flugzeug war schon ziemlich tief gewesen, deshalb zog ich meine Reißleine sofort. Kaum war der Fallschirm offen, war ich auch schon unten. Kurz vor der Landung nahm ich die vorgeschriebene Haltung ein und kam deshalb unverletzt unten an.
Navigator Mosely
Der Navigator, Daniel W. „Doc" Mosely, faßte am Telefon die Geschehnisse an Bord während der letzten Minuten des Fluges zusammen:

Der erste Flaktreffer setzte Motor Nr. 3 außer Funktion und in Brand. Ein Split­ter durchbrach die Seitenwand der Maschine und landete genau vor meinen Füßen. Ich wollte mich bücken, um ihn aufzuheben - quasi als Souvenir - als mir eine innere Stimme riet: „Laß das bleiben!"Also richtete ich mich wieder auf, und in diesem Moment war mir, als würde der Boden unter meinen Füßen angehoben. Ich stand auf einer Flak- Weste, die durch den 2. Flaktreffer in die Höhe gerissen wurde. Hätte ich mich gebückt, hätte ich die volle Ladung in die Brust bekommen. Da wir gerade unsere Bomben abgeworfen hatten, waren die Bombenklappen noch offen. Den hin­teren Rand des Bombenschachtes traf der 3. Flaktreffer; Schrapnelle durchschlugen den Kugelturm, der unter dem Flugzeug hing, und verletzten den Kugelturmschützen Mattice an der Hand. Mattice nahm dies zum Anlaß, seine Kugel zu drehen und nach oben auszusteigen. Ein weiterer Grund war, daß die Kugel zu eng war, um sich darin mit Fallschirm aufzuhalten. Er schaute sich um und sah den Seitenschützen McCrary, der halb bewußtlos auf dem Rücken lag. Er litt an Sauerstoffarmut. Der letzte Treffer hatte das Flugzeug so stark erschüttert, daß es ihn von den Beinen warf und er gegen die Bordwand schlug. Dabei riß sein Sauerstoffschlauch aus der Fassung; er war kurz vor dem Ersticken. Er glaubte oder träumte, er befände sich in freiem Fall außerhalb des Flugzeuges, und zog deshalb die Reißleine seines Fallschirmes. Die­ser öffnete sich auch prompt - aber innerhalb des Flugzeuges. Mattice packte den geöffneten Fallschirm, knüllte ihn vor seiner Brust zusammen, nahm McCrary in den Arm und sprang mit ihm aus dem Seitenfenster.
Der sich sofort wieder öffnende Schirm dürfte der gewesen sein, den die Heck­schützen der Begleitflugzeuge gesehen hatten. Mattice ließ sich zuerst ein bißchen fallen, bevor er seinerseits die Reißleine zog.
Mosely berichtet weiter: Der Funker Billy Hardesty sah aus seiner Funkerkabine, daß Mattice und McCrary in Schwierigkeiten waren. Er schaute nach vorne durch den Bombenschacht, winkte dem Bordingenieur zu und sprang ebenfalls durch das Seitenfenster. Der Bordingenieur, dessen Feuerstellung sich direkt hinter den Pilo­tensitzen befindet, sprang durch den brennenden Bombenschacht hinaus. Treffer Nr. 4 traf das Heck des Flugzeuges, wo sich der Heckschütze Atkins aufhielt, und zerschmetterte die ganze Position - nur Atkins blieb unverletzt. Er drehte sich um und wollte durch seine Notluke aussteigen, aber die war verklemmt. Also kletter­te er nach vorne zur Seitentür und stieg durch diese aus.

Noch vor dem letzten Treffer ging das Flugzeug in den Sinkflug, den Pilot und Co-Pilot an den Kontrollen in einen kontrollierten Absturz zu verwandeln suchten, um der Crew Gelegenheit zu geben abzuspringen. Ich schaute zum Bombenschützen, der mit dem Gesicht zu mir saß und seinen Fallschirm suchte. Ich reichte ihn hin­über und hakte einen der Haken ein. Den Rest konnte Cobb selbst erledigen. Nun mußte ich zusehen, daß ich meinen eigenen Fallschirm anzog. Während ich dies tat, drehte ich mich zur Luke um, die sich im hinteren Teil der Nase auf der rechten Seite hinter dem Navigatortisch befand. Ein Ruck ging durchs Flugzeug, und ich fiel auf den Rücken. Bevor ich noch etwas tun konnte, flog das Flugzeug in die Luft, und Cobb und ich wurden hinausgeschleudert.

Augenzeugen
Auch auf dem Boden wurde das Flugzeug und seine letzten Minuten beobachtet. Robert Paulus aus Hüttersdorf sah, wie sich das Flugzeug von Saarwellingen her näherte. Etwa in Höhe der Primsbrücke drehte es in Richtung Lebach. Dann legte es sich auf die rechte Seite und fiel nach unten. Kurz darauf explodierte es. Die Insas­sen waren schon vorher einer nach dem anderen hinausgesprungen. Nach der Ex­plosion sprang noch ein Mann ab.
Die Explosion riß das Flugzeug in mehrere Teile. Der Pilot Brackens schaffte es praktisch im letzten Moment noch, aus dem Cockpit-Teil hinauszuspringen. Ein großes Teilstück des vorderen Rumpfteils landete auf dem freien Feld unterhalb des Forsthauses Horrido. Dieses Feld wird „Hahnenfeld" genannt und gehört zum Lebacher Vorort „Hahn". Deshalb mußten die Landwirte Nikolaus Schäfer, Josef und Johann Sauer aus Hahn auf die Trümmer aufpassen.
Ein Augenzeuge aus Hüttersdorf, der damals 8 Jahre alt war, sah das Flugzeug über dem Wald explodieren, nur Funken waren zu sehen. Dann sah er Fallschirme runtergehen. Er hielt sich zuhause in Hüttersdorf auf; seine Mutter sprang aufs Fahr­rad, und er stieg mit auf. Drei Männer waren im Wald beim Flugzeug gelandet, einer hoch in einem Baum. Er hatte beide Beine gebrochen. Einer kam nahe Primsweiler herunter. Alle Gefangenen kamen erst nach Primsweiler, da von dort bis zur Ab­sturzstelle ein direkter Weg war. Der Junge lief ein paar Tage später mit seinen Freun­den erneut zum Wrack; darin befand sich eine große Blutlache, um die Bienen flo­gen. Als die Jungen kamen, wurden sie von den Bienen angegriffen und verjagt. Benno Altmeyer aus Bettingen hielt sich in Bettingen auf. Er sah das Flugzeug, das in Formation von Saarbrücken her kam und qualmend aus dem Verband fiel. Die Leute an Bord sprangen am Fallschirm heraus. Kurz nachdem der letzte raus war, explodierte das Flugzeug. Über die Trümmer flogen Begleitjäger vom Typ P-51 Mustang hin und her.
Richard Dickmann aus Hüttersdorf (heute Urexweiler) war damals 11 Jahre alt. Er hielt sich mit seiner Mutter und drei jüngeren Brüdern in einem von drei Bunkern am Ortsausgang von Hüttersdorf Richtung Schmelz-Außen auf, etwa 800 m von seinem Elternhaus entfernt. Seine Mutter war mit seinen kleineren Brüdern voll beschäftigt, deshalb konnte er aus dem Bunker entwischen, als das Flugzeug explo­dierte. Er lief nachhause, schnappte sich das Fahrrad seines Vaters und fuhr Rich­tung Hahnenwald. In seiner teilweise fiktiven Erzählung „Brücke über den Ozean", die 1965 im Heimatbuch des Kreises St. Wendel erschien, würdigt er die Verdienste des Hüttersdorfer Polizisten Peter Lehnert, der sich nicht weit vom Horrido entfernt gegen eine Menschenmenge behauptete, die einen der Amerikaner lynchen wollte. Die Explosion war so stark, daß Teile des Flugzeuges über dem gesamten Gebiet verstreut wurden. Eine komplette Bordtür landete im Garten des Hauses Schmitt in der Hüttersdorfer Fischerstraße, etwa zwei Kilometer vom Aufschlagpunkt am Forst­haus Horrido entfernt.

Landungen
Es ist mir trotz sorgfältiger Recherche sowohl in den Vereinigten Staaten als auch hier in Deutschland nicht gelungen, den Landeort aller Besatzungsmitglieder exakt zu lokalisieren. Wie etwa das Beispiel „Körprich" zeigt, kann sich zwar die Zivilbe­völkerung genau daran erinnern, doch paßt diese Erinnerung zu keiner Beschrei­bung seitens der amerikanischen Besatzung. Fünf Männer der Besatzung sind tot oder nicht auffindbar. Ich weiß zwar ungefähr, was sich im Wald unterhalb des Forst­hauses Horrido abspielte, aber den Piloten, Lt. Brackens, der dort Mittelpunkt des „Interesses" war, kann ich nicht mehr fragen, weil er nicht mehr lebt. Ich weiß zwar den Namen des Mannes, der auf ihn losging, aber auch der lebt nicht mehr, und ich wage es nicht, mich mit seinen Kindern in Verbindung zu setzen. Im amerikanischen Nationalarchiv in Washington, DC, liegt die komplette Kriegsverbrecherakte über das, was sich zumindest am Horrido zugetragen hat.  Eine Kopie davon - etwa 200 - Seiten stark - habe ich mittlerweile erhalten; sie wartet seit 11 Jahren auf ihre Bearbeitung - und wird auch noch weiter warten müssen.
Und noch etwas: Selbst als Amateur-Historiker bemühe ich mich, sachlich zu bleiben. Sie werden von mir keine Wertung der Geschehnisse erfahren, weil das nicht meine Aufgabe ist. Aber seien Sie versichert, daß ich alle Zitate wörtlich wie­dergebe und niemanden schone, denn das ist die andere Seite der Sachlichkeit. Der Engländer David Blackbourn hat es in seinem jüngst erschienen Buch über die Marienerscheinungen in Marpingen in der Einleitung treffend ausgedrückt: Doch Historiker dürfen sich gegenseitig auslachen oder tadeln - was sie nicht sollten, ist, sich auf Kosten der historischen Akteure ein billiges Vergnügen zu verschaffen oder sie über ihre Fehler und Irrtümer aufzuklären. Unsere Aufgabe ist es nicht, Noten für schlechtes Betragen auszuteilen. Namen von deutschen Zivilisten, die sich nicht entsprechend den Genfer Konventionen benommen haben, mache ich unkenntlich oder deute sie nur an. Vielleicht wissen Sie, wer gemeint ist.
Co-Pilot Beals
Er kam in einem Kartoffelacker herunter. Die Felder waren in schmale, lange Strei­fen aufgeteilt, in denen abwechselnd Kartoffeln und Gerste angebaut wurden. Etwa 300 m von ihm entfernt schlug der vordere Teil des Flugzeuges auf, den er kurz vorher verlassen hatte. Dieses Teil brannte sehr stark; die Munition drin explodierte laufend, und er dachte schon, die Deutschen würden auf ihn schießen. Uber sich sah er einen weiteren Fallschirm; es war Brackens, der Pilot. Der kam sehr schnell herunter, schaukelte sehr stark hin und her und schlug beim Aufsetzen einen kleinen Baum um. Dabei brach er sich ein Bein. Beals lief zu ihm hin. Er wollte ihm eine Morphiumspritze gegen die Schmerzen geben, aber er hatte fast seine ganze Ausrüstung verloren. Brackens sagte nochmal zu ihm: „Mach daß du wegkommst!" Beals haßte es zu gehen, aber er gehorchte. Er wandte sich nach Süden und ging am Wrack vorbei über einen gut ausgetretenen Pfad Richtung Primsweiler. Er war noch nicht weit gekommen, als er auf eine Gruppe von etwa 10 Jungen traf, die ihn gefan­gennahmen. Sie brachten ihn nach Primsweiler.
Dort traf er auch wieder auf den Piloten. Brackens war mißhandelt worden; sein Rücken wies einen Messereinstich auf. Mit einem Lkw wurden sie nach Lebach in ein Krankenhaus gebracht und dort behandelt. Beals hatte ein paar kleinere Verlet­zungen, aber das Bein des Piloten mußte gerichtet werden. Sie setzten ihm Metall­klammern ein. Auch der BTG Robert F. Mattice (sprich: Metteis) hatte ein gebro­chenes Bein und wurde nach Lebach gebracht. Sie verbrachten eine Nacht im Kran­kenhaus, bewacht von einem Soldaten mit einem Totenkopf auf der Uniform. Am nächsten Morgen ging es per Lkw nach Saarbrücken in ein Gefängnis, wo sie eben­falls übernachteten. Am darauffolgenden Morgen wurden sie mit dem Zug bis nach Frankfurt gefahren; Beals erinnert sich genau daran, daß das große Dach des Bahn­hofs nicht mehr existierte. Der nächste Halt war in Wetzlar, dann kamen sie in Ein­zelhaft in Oberusel - 4 Nächte und 3 Tage lang. Am 4. Tag - es muß der 12. August 1944 gewesen sein - wurde Beals zusammen mit Cobb per Eisenbahn nach Sagan ins Stalag Luft 3 verlegt.
Als ich am 2. Juli 1998 im Hause Beals in Arizona anrief, um mehr Einelheiten zu erfahren, erfuhr ich durch seine Tochter, daß er am Wochenende zuvor gestorben war.
Pilot Brackens und Bombenschütze Cobbs am Forsthaus Horrido
Es ist nicht verwunderlich, daß die Augenzeugen, die ich befragte, zu dem, was dem Piloten, Lt. Brackens, widerfuhr, entweder schwiegen, also nichts sagen wollten, zögerlich reagierten oder gar vorgaben, nichts davon zu wissen. Es gibt einige Vari­anten dieser Geschichte, und nicht unbedingt die letzte Wahrheit liegt in den Kriegsverbrecherakten im National Archives in Amerika.
Wie schon Beals erzählt hat, sprang Brackens als letzter Mann aus der Maschi­ne, kurz bevor sie - durch die Explosion in Stücke gerissen - im Wald beim Horrido aufschlug. Sein Fallschirm öffnete sich, und binnen Sekunden erreichte er den Bo­den. Er hatte sich unter dem Schirm noch nicht ausgependelt und schlug daher beim Landen die Spitze einer jungen Fichte ab, wobei er sich mindestens ein Bein brach. Er lag also auf dem Boden, mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt, und war bei Bewußtsein, als die Leute aus Hüttersdorf eintrafen und ihn in diesem Zu­stand fanden.
Unter diesen Leuten befand sich auch ML Er wohnte in Hüttersdorf und war Mitte Vierzig. Aus dem, was ich aus den Zeugenaussagen herauslese, hat ML den wehrlosen Mann am Boden mit Fußtritten auf das heftigste mißhandelt. Ob er dies allein tat oder in der Menge Unterstützung fand, weiß ich nicht. Jedenfalls hat ihn zunächst niemand daran gehindert.
Eine Zeugenaussage besagt, ein deutscher Soldat aus Gresaubach habe ihn schließ­lich davon abgehalten, aber meine Nachforschungen haben ergeben, daß zwar tat­sächlich ein junger 18-jähriger Soldat aus Gresaubach, August Kühn, sich dort in Zivil aufhielt, dieser aber sich aus verständlichen Gründen nicht traute, gegen den wesentlich älteren und kräftigeren ML vorzugehen. Hierbei muß auch die Zeit be­trachtet werden, in der die Geschehnisse stattfanden. ML war vermutlich eine lokale Parteigröße, der sich seiner Sache sicher war. Jemand, der gegen ihn vorging, mußte mit ggf. nicht geringen Konsequenzen rechnen. Kühn, der somit kein Feigling war, konnte sich ein wenig mit dem Amerikaner unterhalten und wollte ihm eine Zigaret­te geben; dies wurde aber von ML oder jemand anderem verhindert. Die Situation änderte sich grundlegend, als von Primsweiler her Leute dazu ka­men.
Johanna Harfinger aus Primsweiler erzählt, daß ihre Familie sich in ihrem El­ternhaus aufhielt, als sie die Explosion hörten. Sie liefen vor die Haustür und sahen die Fallschirme herunterkommen. Ihr Vater Franz Groß (Jahrgang 1895) war Orts­vorsteher von Primsweiler. Er schulterte sein Jagdgewehr und lief in den Wald, um nach den Fallschirmspringern zu suchen.
Am Ortsrand von Primsweiler lagen drei Luftschutzbunker (sie wurden nach dem Krieg durch die Franzosen in die Luft gejagt). Die Rot-Kreuz-Helferin Helene Frischbier (heute Helene Wirth) hatte an diesem Tag Dienst im mittleren der drei Bunker. Plötzlich rief jemand, es sei ein Fallschirmspringer gelandet. Helene hängte sich ihre Tasche um und traf vor dem Bunker auf Franz Groß, der ihr zurief: „Na, da müssen wir mal wieder rennen!" Zusammen liefen sie los. Es war eine gute Strecke zurückzulegen. Im Wald unterhalb des Forsthauses Horrido stießen sie auf die oben beschriebene Szene. Etwa um diese Zeit traf der Chef der Hüttersdorfer Feuerwehr, Jakob Sinnwell, vor Ort ein. Als er gewahr wurde, was ML und Consorten trieben, schritt er sofort und vehement ein.
Der Amerikaner lag auf dem Boden, mit dem Rücken gegen einen umgestürzten Baumstamm gelehnt. Helene kümmerte sich pflichtgemäß sofort um ihn. Einige Leute halfen ihr dabei, das verletzte Knie zu verbinden und das gebrochene Bein zu schienen. Schließlich hängte sie ihm einen Zettel um, auf dem sie Zeit und Ort und  die Notiz „erstversorgt durch Helene Frischbier" geschrieben hatte. Aus Dankbarkeit steckte ihr der Amerikaner etwas Schokolade zu. Jemand hatte einen Handwagen herangeschafft, in den sie den verletzten Flieger hineinlegten. Mit seinem gebrochenen Bein hätte er unmöglich laufen können.
Sie waren gerade fertig zum Abtransport, als sich von unten aus Richtung Hüttersdorf Männer näherten, die einen weiteren Gefangenen mit sich führten. Er konnte kaum laufen und hatte eine Verletzung am Knie.
Es handelte sich um den Bombenschützen George Cobb.
Dieser schreibt:
Ich kam in dichtem Gehölz runter, und der Fallschirm verfing sich in einer Baumkrone etwa fünf Meter über dem Boden. Ich konnte mich aus dem Schirm befreien und fiel auf den Boden auf mein rechtes Bein und zog mir eine schlimme Knieverletzung zu. Als ich auf dem Boden landete, hörte ich die Geräusche und Stimmen von Männern, die durch die Bäume kamen. Ich legte mich in ein trockenes Bachbett (Graben) und bedeckte mich mit vertrockneten Blättern. Nach einer Weile, als die Geräusche verklungen waren, kletterte ich heraus und setzte mich hin, gegen einen Baum gelehnt. Ein Bein meines Fliegeranzuges war am Bein abgerissen, und meine Karte, der Kompaß und die Überlebensrationen waren weg. als ich mich am Kopf kratzte, schaute von hinten ein Gewehrlauf auf mich herab. Ein großer älterer Mann und ein Junge hießen mich, meine Hände zu heben und aufzugeben. Der Junge hatte etwas Englisch in der Schule gehabt, und wir verstanden ein wenig, was jeweils der andere sagte.
Es ist nicht bekannt, wer der ältere Mann war, aber der „Junge" war wahrscheinlich der spätere Organist Josef Becker aus Hüttersdorf. Becker hatte während seines Studiums Englisch sprechen gelernt und konnte sich mit dem Amerikaner unterhalten. Die Männer hakten den Amerikaner unter und gingen mit ihm in Richtung Absturzstelle. Hans Groß sah sie kommen und ließ Helene Groß mit der ersten Gruppe und dem Piloten im Handwagen vorangehen. Er schloß sich der neu hinzugekommenen Gruppe an, die wesentlich langsamer vorankam, weil der Amerikaner nur humpeln konnte. Johanna Harfinger, die Tochter von Franz Groß, war zusammen mit vielen Leuten aus Primsweiler ihrem Vater in den Wald gefolgt. In der Holzung „Böschen" etwa 15 Minuten vom Ort entfernt - stießen sie auf Franz Groß, den Amerikaner und deren Gefolge, das aus etlichen Hüttersdorfern bestand. Sie hatten Rast gemacht, der Amerikaner saß auf dem Boden.
Ein Mann aus Hüttersdorf, EP, wollte sich an Hans Groß vorbeidrängen. Er hob ein Gewehr oder einen Stock und schrie: „Geh weg, Hans. Ich schlage ihn tot." aber Groß ließ sich nicht beirren, stellte sich zwischen die beiden und entgegnete: EP, verschwinde, der Mann geht mit mir."

Cobb wurde nach Primsweiler in das Haus Franz Groß gebracht, wo er im Wohnzimmer auf einem Stuhl Platz nehmen durfte; das Wohnzimmer füllte sich schnell mit Neugierigen. Ein Angebot, etwas zu essen, lehnte der Amerikaner ab. Nein, aber er habe Durst. Groß holte Wasser aus der Pütz in der Scheune und gab ihm etwas zu trinken.
Hobb erzählt weiter: Sie brachten mich in eine Stadt, und der Großvater war gezwungen, sein Gewehr zu zeigen, damit einige Leute sich nicht meiner bemächtigen konnten (auf meine Rückfrage erzählte er mir am Telefon, jemand sei mit einem Auto gekommen und wollte ihn mitnehmen, aber sein ,, Gastgeber " habe das vehement abgelehnt). Er übergab mich an einen - so glaube ich - Volkssturmoffizier, der mich durch den Wald in ein anderes Dorf brachte. Einmal steckte ich mir eine Zigarette an, was ihn sehr böse machte, als er einen Pistolenlauf gegen meinen Kopf hielt und mir einen Haufen deutscher Worte entgegenschrie. Nach ein paar Worten war ich so deprimiert, ganz allein in Deutschland zu sein und hilflos dazu, daß ich ihm ins Gesicht lachte, ihm Worte zurief die er noch nie gehört hatte, und ihm sagte, er solle weitermachen und mich erschießen. Kurz darauf beruhigte er sich wieder und erklärte „offenes Feuer im Wald", und ich sagte ihm, daß ich ihn verstanden hätte. Ab diesem Moment gab es keine Probleme mehr zwischen uns, und er übergab mich in der Stadt an deutsche Soldaten. Die Stadt hatte eine Art Gefängnis, und man behielt mich dort über Nacht. Heckschütze Atkins und Kugelturmschütze Mattice. Ebenfalls nicht weit von der Aufschlagstelle der Flugzeugtrümmer landete der Heckschütze
James Atkins:

Als ich mich dem Boden näherte, hörte ich Gewehrfeuer, das auf mich gerichtet war. Einige Schüsse trafen meinen Schirm, aber keiner traf mich (es handelte sich vermutlich nur um explodierende Munition). Ich kam runter in einem stark bewalde­ten Gebiet, verfehlte aber die Bäume und landete mitten auf einer schmalen, nicht asphaltierten Straße. Ich krabbelte ins Unterholz, um mich zu verstecken. Ich konnte hören, wie in einiger Entfernung Leute schrien und Krach machten. Sie bildeten einen großen Kreis, und innerhalb einer halben Stunde hatten sie mich gefunden. Sie fingen an, mich zu schlagen und zu treten, benutzten dabei Stöcke und Steine, spuckten mich an und zerkratzten mein Gesicht. Ein Mann sprach Englisch; er sag­te, er sei bei der Gestapo, und fragte mich, ob ich meine 45er bei mir hätte, damit sie mich damit töten könnten, aber an dem Tag hatte ich sie nicht dabei.
Nach einiger Zeit und vielen Schlägen kam ein Soldat mit einem kleinen Auto, vermutlich einem VW, in den Wald. Er schrie und diskutierte mit den Leuten - es waren ungefähr 75 bis 80. Dann schob mich der Soldat auf den Rücksitz seines Wagens. Obwohl er nicht sehr sanft mit mir umging, war ich ihm doch dankbar, denn er rettete mir das Leben. Wir fuhren in ein kleines Dorf, das nur aus einer Hauptstraße und ein paar Häusern bestand. Das Auto hielt an, und ein paar Leute rissen mich heraus. Unser Kugelturmschütze Robert Mattice (sprich: Mettais) lag mit einem gebrochenen Bein in einem kleinen Handwagen, der mitten auf der Straße stand, umgeben von vielen Menschen. Sie zwangen mich, ihn im Wagen die Straße hinauf und hinab zu ziehen. Während ich dies tat, warfen sie mit Steinen nach mir und schlugen mit Stöcken auf mich ein. Nach einer Weile steckte mich der Soldat wieder in sein Auto, brachte mich nach Saarbrücken - so vermute ich - und sperrte mich mit anderen Crewmitgliedern ein. Ein Oberst der Luftwaffe wollte mich verhö­ren, aber er verstand meine Sprache nicht. Als er mich fragte, wie alt ich sei, sagte ich es ihm: 21. Abends mußte ich auf die Toilette. Man führte mich aus dem Gefäng­nis hinaus zu einem kleinen Häuschen, das an einem Hang lag.

Der „Soldat", von dem Atkins schreibt, war der Hüttersdorfer Polizist Peter Lehnert. Atkins hat ihn mir während eines Telefonats als großen Mann („big man") beschrieben, was voll zutrifft. Lehnerts Tochter, Elsbeth Schmitt, berichtet, was ihr der Vater erzählte. Lehnert fuhr in den Wald und verhinderte dort, daß der verwun­dete Amerikaner, der im Baum gelandet war, gelyncht wurde. Er brachte den Ver­wundeten in ein nahes Dorf, fuhr in den Wald zurück und holte auch Atkins heraus, keine Minute zu früh, wie es scheint.

Oberer MG-Turm-Schütze Williamson in Körprich?
William F. Williamson war der einzige der Besatzung, der durch den Absturz nicht verletzt wurde. Leider gibt es keine Möglichkeit, mit ihm zu sprechen. Laut Anga­ben seiner ehemaligen Kameraden hat er jeglichen Kontakt mit ihnen schon vor Jahren abgebrochen und reagiert auf keinen Anruf oder Brief. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, daß er in Körprich landete, aber daß er nicht verletzt war, spricht dafür.
Maria Klein aus Bettstadt war damals etwa 18 und hielt sich im Haus auf, als die Explosion erfolgte. Ihr Vater lief vor die Tür und deutete zum Himmel über dem Nachbarort Körprich: „Da hängen drei!" Er meinte damit die Fallschirme. Diese drei gingen in der Körpricher Gemarkung „Vorm Bruch" herunter. Der Vater lief auch gleich dorthin, hieß aber seine Kinder, im Haus zu bleiben. Diese gehorchten (leider).
Josef Paul aus Körprich ist Jahrgang 1926 und war damals 18 Jahre alt. Er hatte bereits als Luftwaffenhelfer bei der Flak gedient, zunächst am Bouser Berg, dann in Frankfurt-Höchst. Wie andere seines Jahrgangs wartete er zuhause auf seine Einbe­rufung zum Militär. Er kam später zu den Fallschirmspringern und erlebte die Ardennen-Offensive mit. Am 9. März 1945 wurde er in einem kleinen Ort kurz vor der Brücke von Remagen durch die Amerikaner gefangen genommen und verbrachte seine Kriegsgefangenschaft in Frankreich.
Der Ort Knorscheid besitzt zwei Mühlen, die Knorscheider Mühle und die Quirinsmühle. An diesem Tag stand Paul in einer Reihe mit anderen Bauern der Umgebung, um in der Mühle Getreide dreschen zu lassen. Sie sahen das Flugzeug, hörten die Explosion. Zwei Fallschirme kamen herunter - einer über Primsweiler, einer auf einem Feld nahe der heutigen Hüttersdorfer Straße (heutiges Anwesen Arthur Paulus) in Körprich. Die Landestelle auf dem Feld war etwa 300 m von Paul entfernt. Er ließ alles stehen und liegen und rannte zusammen mit einem französi­schen Fremdarbeiter in Richtung des gelandeten Fliegers. Der Franzose hatte ein paar Meter Vorsprung und erreichte ihn daher eher. Als Paul ankam, hatte er den verängstigten Mann schon gefilzt und ihm mindestens die Armbanduhr vom Arm gezogen. Paul - der ein wenig Englisch von der Schule her konnte - beruhigte den Amerikaner mit den Worten: „For you the war is over!" Der Amerikaner zitterte wie Espenlaub.
Einer der ersten, der sich dann näherte, war KG, eine der Nazi-Größen des Ortes. Er war in Uniform und völlig außer Atem. „Wenn ich als erster hierher gekom­men wäre, würde er nicht mehr leben", stieß er atemlos hervor. Das erboste Paul, der ihm erwiderte: „Du - hast Du denn schon jemals einen Schuß gehört? Was unter­stehst Du Dich, so etwas anzudrohen? Wenn Du schießen willst, dann aber ganz bestimmt nicht hier!" Diese Anspielung auf seine Nicht-Teilnahme am 2. Weltkrieg als Soldat, was er seiner Parteizugehörigkeit zu verdanken hatte, brachte KG schnell auf 180.
Von Nalbach her näherte sich der Polizist Adam auf seinem Motorrad mit Bei­wagen, in dem der Nalbacher Friseur Mende saß. Mende war ziemlich klein und hatte einen schiefen Rücken. Als er den Amerikaner sah, holte er einen Karabiner aus dem Beiwagen, lief zu dem Gefangenen und versetzte ihm einen Schlag. Bevor er erneut zuschlagen konnte, schritt Paul ein. Er wandte sich an den Polizisten, der regungslos dabeistand, und erinnerte ihn an seine Pflichten, auch in Hinsicht auf die Bestimmungen über die Behandlung von Kriegsgefangenen nach der Genfer Kon­vention. Obwohl Adam ziemlich ruhig blieb, wurden die anderen beiden - KG und Mende - immer lauter und aggressiver. Der Zorn des Volkes richtete sich jetzt nicht mehr gegen den Ami, sondern vielmehr gegen Josef Paul. Dem kam seine Schwe­ster zu Hilfe, in dem sie sich vor ihn stellte. Damit geriet sie allerdings auch in die Ziellinie. Während sich dieser Disput abspielte, hatte sich die Menge immer weiter in Richtung Dorfmitte bewegt, wo der Amerikaner schließlich weggebracht wurde. KG sagte ein paar Stunden später, er werde die Kinder vom Paul Matz (Matthias Paul war Josefs Vater) dorthin bringen, wo sie hingehörten, und versetzte damit Josefs Mutter in helles Entsetzen. KG setzte gleich am nächsten Morgen beim Kreis­leiter seinen Einfluß als Parteimitglied ein, und drei Tage später erhielt Paul seinen Stellungsbefehl.
Nach Körprich kam nur dieser eine Amerikaner; ob allerdings am Homrich oder „Aufm Bruch" noch weitere Abspringer landeten, ist nicht sicher.
Katharina Scholer aus Körprich erzählt, daß einer der Amerikaner sich in einem „Kornkasten" (zum Trocknen aufgestelltes und zusammengebundenes Getreide) auf dem Kornfeld ihrer Eltern versteckt hatte. Die Leute, die ihn suchten, warfen dar­aufhin alle Kornkasten um, bis sie ihn gefunden hatten. Ein Mann, nicht aus Körprich, war mit einem Motorrad dabei. Man zog dem Ami die Stiefel aus und setzte ihn in den Beiwagen. Dann fuhren sie ihn in die Hüttersdorfer Straße, wo er schon von etlichen Körprichern erwartet wurde: „Da kommen sie". Er wirkte völlig einge­schüchtert und verängstigt. Eine Frau aus Körprich rief dauernd: „Schlagt ihn tot."

Doc Mosely in Dillingen.
Der Navigator Mosely wurde bei der Explosion zusammen mit dem Bombenschützen Cobb aus dem Flugzeug geschleudert. Während Cobb seine Reißleine wie geschil­dert erst sehr spät zog, öffnete Mosely direkt seinen Fallschirm. Er trieb mit dem Wind über Hüttersdorf hinweg nach Westen ab Richtung Saar. Er landete in einem Wald, versteckte seinen Fallschirm und orientierte sich mit seinem Kompaß nach Westen. Dann marschierte er los. Unter Ausnützung der größtmöglichen Deckung und immer auf der Hut davor, von irgendjemandem entdeckt zu werden, erreichte er nach vielen Umwegen zwei Tage später das Ufer der Saar nördlich zwischen Dillingen und Beckingen. Vor sich sah er die beiden Brücken, die bei Rehlingen die Saar überspannten. Beide Brücken waren bewacht, er konnte Wachen patrouillieren se­hen. Er wartete auf seine Chance, die aber nicht kam. Frustriert, müde und vor allen Dingen hungrig gab er die Brücken auf und wanderte am Saarufer entlang nach Süden auf der Suche nach einer anderen Möglichkeit. Aber auch die Fährstation war bewacht, so daß er sich schließlich total erschöpft am Saarufer hinsetzte und auf seine Gefangennahme wartete.
Am Morgen des 7. August 1944 - es war ein Samstag - spazierte der 60-jährige Jakob Trenz aus Bildstock, der bei seinem Bruder Paul Trenz in Dillingen-Pachten, Wilhelmstraße 19, zu Besuch war, mit seinem Enkel Dietmar Grandmontagne, da­mals 5 Jahre alt, am Ufer der Saar entlang, nicht weit von ihrem Haus entfernt. Schon von weitem sahen sie, daß dort am Ufer ein Mann saß, der eine fremdartige Uniform trug. Der Amerikaner saß am Boden und studierte eine Karte, die vor ihm lag. „Der denkt bestimmt, er ist schon in Frankreich". Als er die beiden sah, stand er auf und erwartete sie. Er zitterte, aber ob vor Angst oder Erschöpfung, war nicht zu erkennen. Trenz brachte dem Amerikaner mit Händen und Füßen, also auf saarlän­dische Art, bei, daß er sie begleiten solle. Ohne zu Zögern folgte er in die Dillingerstraße. Sie gingen hinauf in die Küche, wo er einen Becher Wasser und etwas zu essen erhielt. Schon nach fünf Minuten traf Polizei ein, die den Gefange­nen wegbrachte.

Der Bürgermeister von Dillingen 07.08.1944 (KU 2615)
Polizeibehörde und Schutzpolizei
Betreff: Gefangennahme eines Fallschirmspringers, vermutlich Besatzungsmitglied Am 07.08.1944 gegen 10.00 Uhr wurde ein amerikanischer Fallschirmspringer von dem pensionierten Jakob Trenz, Einwohner von Bildstock, Adolf-Hitler-Str. 65 (mo­mentan zu Besuch bei Paul Trenz in Dillingen, Wilhelm-Str. 19) an der Fährstation Pachten gefangengenommen.
Der Gefangene wurde als Lt. Daniel M. Mosely identifiziert, geboren am 17. Nov. 1919 in Clearwater, Fla, Serien-Nummer 0707306, Flugzeugtyp: Fortress. Der Ge­fangene wurde einer Flakeinheit übergeben, die bei Dillingen stationiert war
Samsel, Oberleutnant der Reserve, Schutzpolizei  Luftwaffenposten Dillingen 07.08.1944
Von dem amerikanischen Gefangenen, der uns heute von der Polizei übergeben wur­de, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, zu welchem Absturz er gehört. Er gibt an, er sei aus dem Flugzeug geschleudert worden. Er kann den genauen Tag nicht angeben. Er gehört möglicherweise zu der Besatzung der Festung, die am 03.08.44, Dienstag, im Raum Schmelz in der Luft explodierte. Er kann keine Anga­ben über den Verbleib seines Fallschirm und seine Fliegerkombination machen. (Unterschrift nicht lesbar), Lt., Batteriekommandeur 

Zwischen Landung und Gefängnis - die amerikanischen Flieger in Lebach
Der nächste Bericht stammt vom Funker Billy Hardesty. Ich habe nicht herausfin­den können, wo er mit seinem Fallschirm gelandet ist. Es ist nicht 1 OO-prozentig sicher, daß die nachfolgenden Geschehnisse in Lebach passierten. Einige Dinge spre­chen allerdings dafür. Wie Co-Pilot Beals sagte, wurde er zusammen mit dem ver­wundeten Piloten von Primsweiler mit dem Auto nach Lebach gebracht. Die nach­folgend geschilderten Ereignisse fanden entweder noch in Primsweiler oder - wahr­scheinlicher - in Lebach vor dem Krankenhaus statt, nachdem die Amerikaner den Lkw verlassen hatten, aber bevor sie das Gebäude betraten.
Hardesty: Als ich mich dem Boden näherte, zog ich die Reißleine. Ich war auf einem Kurs, bei dem ich auf dem Dach eines Hauses mit ziemlich starker Neigung gelandet wäre. Ich wußte nicht, ob das funktionieren würde oder nicht, aber ich ließ auf einer Seite des Fallschirmes Luft entweichen. Damit entging ich dem sicheren Tod, weil ich sonst auf dem Dach gelandet und dann heruntergefallen wäre. Andererseits nahm durch das Herauslassen der Luft aus meinem Fallschirm meine Sinkgeschwindigkeit zu. Ich landete mehr auf dem rechten als auf dem linken Bein und verletzte meine rechte Hüfte. Sie tut immer noch weh. Binnen einer Minute oder noch weniger war ich von Zivilisten umgeben, jungen und alten. Die jungen fingen an, auf mich einzuschlagen. Sobald sie mich niedergeschlagen hatten, sprang ich wieder auf. Es dauerte eine Weile, bis ich mich entschied liegenzubleiben. Dabei erhielt ich ein paar Tritte, bis ein paar Leute mit einem Strick kamen. Ich sprach kein Deutsch, aber als sie mich in Richtung einiger Bäume trieben, bekam ich es mit der Angst zu tun, sie wollten mich aufhängen. Glücklicherweise rannten zwei Soldaten mit Maschinenpistolen herbei und holten mich dort raus. Die Soldaten brachten mich in ein Dorf, wo andere den Bordmechaniker schon in Gewahrsam hatten. Un­gefähr zu dieser Zeit kamen Soldaten mit dem Piloten an; er hatte ein gebrochenes Bein und war mit einem Messer gestochen worden. Kurze Zeit später wurde der Seitenschütze (McCrary) hergebracht. Er war schlimm verprügelt worden, sein Kopf und sein Gesicht waren bis zum Ende der Nase zugeschwollen, so stark, daß man seine Augen nicht sehen konnte. Die Deutschen wollten, daß der Bordmechaniker und ich den Piloten tragen sollten, aber ich schaffte das nicht. Ich wäre hingefallen, wenn ich versucht hätte, auf meiner Seite anzuheben. Die Soldaten brachten mich und den Bordmechaniker zu einem Straßenbahnwagen und dann ins Gefängnis. Ich sah den Piloten und den Seitenschützen nie wieder. Ich glaube, ich verdanke den beiden Soldaten mein Leben.

Nach der Gefangennahme
Die Verwundeten wurden im Lebacher Krankenhaus versorgt und kamen am näch­sten Tag - vermutlich per Auto oder Lkw - ebenfalls nach Saarbrücken ins Gefäng­nis. Dort blieben sie einen weiteren Tag. Dann ging es mit der Eisenbahn nach Frank­furt und mit der Straßenbahn weiter nach Oberursel im Taunus, wo die Männer in der Auswertestelle West in Einzelhaft gehalten und nacheinander verhört wurden.
Anschließend wurde die Gruppe auseinander gerissen und in verschiedenen Stamm­lagern der Luftwaffe im Osten des deutschen Reiches untergebracht:

Bombenschütze Cobb
Am nächsten Morgen brachte man mich weg und schickte mich in eine Verhörstelle (Oberursel im Taunus). Auf dem Weg dorthin sah mich eine Dame auf der Straße, rannte hinter mir her und trat mich in den Hintern. Die Wachen lachten darüber, und das war gottseidank die einzige Mißhandlung, die ich erfuhr. Ich wurde ein paar Tage lang verhört. Man steckte mich in einen kleinen Raum ohne Fenster, ohne Licht, ohne Wasser. Eine Wache versuchte, mir den Airforce-Ring, ein Geschenk meiner Mutter, vom Finger zu reißen, wir stürzten vorwärts und rückwärts durch den Raum, und der Lärm machte eine andere Wache aufmerksam, der uns unterbrach. Niemand wurde verletzt, und ich behielt meinen Ring. Ich gab nur Namen, Rang, Dienst­nummer an den Mann weiter, der mich befragte, aber er versicherte mir, er wisse mehr über mich und zwar meine Heimatstadt, und er hatte recht. Er erklärte, er stamme aus Chicago, hatte im Ford-Werk in Hegewish gearbeitet und war nach Deutschland gekommen, um seine Familie zu besuchen, als der Krieg ausbrach. Kurz darauf brachte man mich zum Frankfurter Bahnhof wo ich einige von meiner Crew wieder traf, von denen ich so erfuhr, daß sie noch am Leben waren. Man steck­te uns in eine kleine Nische in der Wand. Vorbeigehende Leute hielten an, beschimpf­ten und bespuckten uns, und einer versuchte, Brackens gegen sein gebrochenes Bein zu treten, aber ich trat vor und stellte mich vor Ralph, und der andere zog weiter. Wir fuhren sehr lange mit dem Zug und wurden auseinander gerissen, und nur Bill Beals und ich blieben zusammen in SAGAN, Stalag Luft 3.
Ich sah keinen von ihnen wieder, bis der Krieg vorüber war. Bill und mich steckte man in den britischen Lagerteil. Wir blieben im gleichen Raum, bis wir auf den langen, furchtbaren Marsch durch die Kälte bei -35° Celsius ohne warme Kleidung hinaus mußten. Keine Nahrung außer Rot-Kreuz-Paketen, die wir selbst trugen, bis wir so schwach waren, daß wir sie wegwerfen mußten. Die Schuhe, die ich erhalten hatte, waren schlecht gefüttert, beide Fersen hatten halb-Dollar-große blutende Bla­sen, und die Schuhe froren ein, wenn man stehenblieb, und die Blasen fingen dann wieder an zu bluten, wenn sie auftauten. Das war die schlimmste Zeit meines Le­bens, und eine Zeitlang dachte ich, ich würde es nicht schaffen. Einmal mußten wir anhalten, um einige Flüchtlinge aus Polen durchzulassen, und die Männer hinter uns wurden einige Kilometer weit in eine falsche Richtung geschickt. Es war stock­dunkel, tiefgefrorene Spurrinnen im Weg, jedesmal, wenn du in eine Rinne trittst, fällst du und tust dir weh, so oft. Eine Zeitlang war ich bereit aufzugeben, mich hinzulegen, vielleicht zu sterben, aber ich wurde wirklich, wirklich böse, und ich ging weiter. Ich verfluchte jedermann, fiel und fluchte wiederum und war plötzlich am vorderen Ende der Kolonne. Da erkannte ich, daß ich viel härter geworden war und härter und stärker für den Rest meines Lebens sein würde. Es gab Rückschläge, aber ich wurde erwachsen.
Meine Meinung über eure Stalags (Stammlager der Luftwaffe) steht auf einem ande­ren Blatt 

Stalag Luft 3 (Sagau bei Breslau)
12 Mann in einem Raum, gestapelte Betten, Strohmatten, schlechte, lauwarme Sup­pen, wenn wir überhaupt welche bekamen. Dunkles Brot, teilweise aus Sägemehl, 4 Scheiben, manchmal. Ich kam am 3. August runter und blieb dort bis nach Weih­nachten. Wir machten uns Eiskrem aus Schnee, ,,Klim " und Ananasmarmelade aus den Rot-Kreuz-Paketen. Wir konnten nicht oft duschen, hatte Läuse, keine Medizin für Erkältungen oder andere Krankheiten, mein Knie schwoll auf das doppelte sei­ner normalen Größe an, es gab keine medizinische Betreuung. Die Öfen hielten uns nicht warm. Aber das machte uns hart für das Lager Nr. 7A.

Stalag Luft 7A (Nürnberg)
Das schlug dem Faß den Boden aus. Überfüllte Baracken (hier hielt man früher Italiener), flohverseucht, kein Brennstoff für die Öfen. Deshalb fabrizierten wir Sä­gen und stahlen die Bretter der Waschhäuser und sägten Posten der inneren Lager­zäune ab und verbrannten sie. Keine Toiletten oder Wasser in den Barracken, und nachts durfte man nicht raus. Aber viele von uns rannten zu den Latrinen, wenn die Wache mit ihrem Hund am anderen Ende des Lagers war. Es gab einen Zaun zwi­schen uns und ihm und den Hunden, also wenn du gut weg- und wieder zurück­kommst, kannst du es schaffen. Das war besser als Karten zu ziehen, um den auszu­losen, der den großen Kübel ausleeren muß, der nachts als Latrine herhalten mußte. Die Bedingungen waren miserabel und hatten mit den Bestimmungen der Genfer Konvention nichts gemein. Aber ich kann nicht sagen, daß ich etwas über Brutalitä­ten hörte. Die Appelle wurden hier von einem Offizier abgehalten, der - so glaube ich – LADOWITZ hieß. Wir nannten ihn „Smiling Jack" (lächelnder Jack) nach dem Held eines Comics. Die Appelle in Stalag Luft 3 waren ebenfalls okay; sie wurden von einem Offizier namens „ GLIMLITZ" oder „ GLEMLITZ" oder so ähnlich durch­geführt, ebenfalls ein anständiger Mensch und Soldat.

Stalag Luft 17 (Moosburg an der Isar)
Aber es war nahe Österreich. Um diese Zeit waren wir fast alle extrem müde, dreckig und unglücklich; wir glaubten, daß das Schlimmste vorüber sei. Noch schlim­mer könnte es nicht mehr kommen, und wir glaubten, der Krieg sei fast vorbei und wir kämen bald nachhause. Die wenigen Tage, die wir uns dort aufhielten, verbrach­ten wir auf einer ehemaligen Müllhalde, und der Boden unter uns war heiß wie Feuer. Du konntest einen Futternapf nehmen, den wir uns aus Blech hergestellt hat­ten und mit uns trugen, mit Essen, Wasser oder was auch immer füllen, ihn in ein Loch im Boden stellen, und innerhalb von Minuten kochte es. Und nur einen Tag später kam Patton und ließ uns hinaus. Wir gingen bis nach Landshut, mußten einen weiteren Tag auf unser Flugzeug warten, das sich wegen schlechtem Wetter verspä­tet hatte, dann ging es nach Frankreich und dann nachhause.
Am Schluß muß ich sagen, ich hatte schreckliche Tage als KRIEGIE (amerikanische Bezeichnung für ,, deutscher Kriegsgefangener"), aber es machte mich härter, ob­wohl ich 28 Pfund verlor. 

Heckschütze Atkins
Spät am nächsten Tag brachte man uns mit einem Fahrzeug mit Holzvergaser zu einer Eisenbahnstation, die mehrere Meilen entfernt war, dann mit dem Zug nach Frankfurt und mit der Straßenbahn nach Ober-Ursel ins Verhörlager. Nach drei Ta­gen wurden wir per Bahn nach Wetzlar in ein Lager gebracht, wo wir Essen und Kleidung erhielten, etwa eine Woche später in einem Viehwaggon ins Stalag Luft 4 nach Kiefheide in Ostpommern.
Am 6. Februar 1945 zwang man uns auf einen Marsch, der bis zum 28. April dauerte. Unsere Wachen hatten uns bis zu den amerikanischen Linien gebracht und verließen uns bei Bitterfeld. Ich bin 1,89 m groß und wiege normalerweise 190 Pfund, aber durch die schlechte Behandlung und das geringe Essen wog ich noch 120 Pfund. Nach der Befreiung und einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt in Halle brachte man mich nachhause; ich kam Mitte Juni 1945 wieder zurück in die Staaten. Ich sah keins meiner Crewmitglieder wieder, nachdem wir Wetzlar im August verlassen hat­ten.
Nach dem Krieg stieg ich in die Nachrichten- und Fernsehbranche ein und blieb dort 35 Jahre lang. Dann ging ich in die Werbung und wurde 1983 für vier Jahre ins Jacksonville City Council gewählt. Dann war ich Chef der Werbung für das ,,Jacksonville Suns" Baseball-Team und ging 1991 in den Ruhestand. Ich hatte im Dezember 1992 einen Schlaganfall, fühle mich aber wieder gut.
Am 16. Mai 1998 wurde ich 74. Am 5. April feierten meine Frau und ich unseren 55 Hochzeitstag. Wir haben drei Kinder, einen Jungen und zwei Mädchen, und fünf Enkel. Ich schreibe Country Musik und bin Inhaber eines kleinen unabhängigen Aufnahmestudios, „Alrington Records & Sanam Music BMI".

Funker Hardesty
Vom Gefängnis wurde ich zu einem Gefängnis der GESTAPO (Auswertestelle West in Oberursel) gebracht. Dort wurde ich nicht geschlagen, aber oft getreten. Sie wuß­ten alles über mich und versuchten, Informationen aus mir herauszubekommen. Sie glaubten mir nicht, aber ich wußte ihnen nichts zu erzählen. Irgendwann merkten sie das auch, denn sie behielten mich nur für einen Tag oder zwei, bevor sie mich in einen Kriegsgefangenen-Zug steckten, der nach Stalag-Luft-3 unterwegs war.
Das Gefängnis war ziemlich langweilig. Ich war Staff Sargent, deshalb brauch­te ich nicht zu arbeiten. Das schlimmste im Gefängnis war, daß es nur sehr wenig zu essen gab und das wenige schlecht schmeckte. Den Wachen - die meisten waren alte Männer - ging es aber auch nicht besser.
Ein Wachmann war riesengroß. Er sprach kein Englisch. Manche Wachen waren dumm wie Stroh, und wir veräppelten sie viel. Wir nannten die Wachen ,,goons" (Dummköpfe). Wenn eine Wache zu einer Inspektion hereinkam, rief der erste POW, der sie sah „ Goons up ". Als der Riese hereinkam, lächelte er und rief „ Goons up ". Ich glaube nicht, daß er ganz richtig im Kopf war, aber ich hörte Gerüchte, er sei von den Russen gefangengenommen und enthauptet worden. Ich glaube, es war am 29. Januar, als wir unsere Sachen aufnehmen und losmarschieren mußten. Dieser Marsch wird von vielen als der Todesmarsch bezeichnet. Wir schliefen im Schnee oder in Schweineställen. Viele Gefangene ertrugen diese Tortur nicht. Ältere Män­ner und Kranke waren die meisten Opfer. Die Deutschen marschierten vor dem Feind davon, der am nahesten war. Die Alliierten und die Russen waren gleich weit ent­fernt. Wir bewegten uns immer von den Russen weg. Ich wurde am 2. Mai 1945 befreit. Alle Crewmitglieder überlebten und kamen wieder nachhause in die Staa­ten.

Nach dem Krieg

Nach dem Krieg wurden Jakob Sinnwell und ML verhaftet und kamen nach Saar­louis ins Gefängnis. Helene Wirth fuhr gleich am nächsten Morgen zum Amtsge­richt in Saarlouis, wo auf ihre Aussage hin Sinnwell wieder freigelassen wurde. ML kam nach Dachau, wo ihm der Prozeß gemacht wurde. Leute aus Hüttersdorf und Primsweiler mußten dort als Zeugen aussagen. Morgens um sechs Uhr mußten sie sich in Saarbrücken auf dem Rathaus melden und wurden dann von hier nach Dachau bei München zur Verhandlung gebracht. ML verschwand für zwei Jahre von der Bildfläche.
Für KG in Körprich kam das dicke Ende nach dem Krieg während der Besat­zungszeit durch die Franzosen. Französische Polizisten kamen in den Ort und er­kundigten sich nach Josef Paul, der aber nicht zuhause war. Von einem Nachbarn erfuhren sie die tatsächliche Geschichte. Daraufhin fuhren sie zu KG und hielten auf ihre Art „Gericht".
Am Abend des 18. März 1945 beobachtete Richard Dickmann, wie der Ortspo­lizist Peter Lehnert am Ortsrand in einem Splittergraben eine große Tüte „versenk­te". Er nahm eine Leiter, stieg hinein und zog das Bündel wieder heraus. Es handelte sich um eine amerikanische Bomberjacke, die Lehnert dort verstecken wollte, weil die Amerikaner kurz vor Hüttersdorf standen. Dickmann nahm sie mit nachhause. Seine Mutter trennte die Nähte auf und benutzte das Teil viele Jahre lang als Bett­vorleger.
Leider ging für Peter Lehnert die Geschichte nicht so aus, wie es Dickmann in seiner Erzählung beschreibt. Er saß etwa ein Jahr in Theley und wurde von dort nach Neunkirchen-Bildstock verlegt. Nach seinem Gefängnisaufenthalt kam er zur Erho­lung ins Krankenhaus. Er war auch später wieder Polizist, bis er 1956 an einem Herzinfarkt starb. Der Retter aus Amerika aus Richard Dickmanns Geschichte ist nie gekommen.
Noch lange Zeit nach dem Absturz gab es Teile des Flugzeuges im Ort. 1947 benutzten Kinder Teile der Tragfläche, um bei der Hochzeit eines Witwers „Schalwari ze klobbe".

Augenzeugen USA
Billy M. Hardesty, Kansas City, MO 

Daniel M. Mosely, San Bernadino, CA James Atkins, Jacksonville, FL George Cobb:, Tucson, AZ W. Myron Beals, Astoria, OR (verstorben)

Deutschland
Benno Altmeyer, Bettingen
Maria Berwian, Körprich
Albert Eisenbart, Lebach
Dietmar Grandmontagne, Dillingen
Werner und Alwine Hölzer, Nalbach-Piesbach:
Maria Klein, Bettstadt
Josef Paul, Körprich
Frau Reuter, Primsweiler
Elmar Schmitt, Schmelz-Hüttersdorf
Elsbeth Schmitt, Schmelz
Hermann Schmitt, Schmelz-Hüttersdorf
Leo Schuler, Körprich
Helene Wirth, Primsweiler


Quellen:
National Archives, College Park, MD, USA:
Missing Air Crew Report (MACR) 7704 KU-File 2615
RG 153: Entry 143 - War Crimes Branch Case Files, Case File # 12-1726, US vs PM et al, Box 283, 270/1/22/4
RG 338: USAREUR, JAG, War Crimes Branch Case Files Cases tried, File # 12-2593, US vs PM et al, Box 245,
290/59/10/4
David Blackbourn, Wenn ihr sie wiederseht, fragt wer sie sei, Rowohlt Verlag Hamburg 1997
Werner Eckel, Saarbrücken im Luftkrieg, Saarbrücken 1986
Schmelzer Heimathefte Nr. 7/1995, Cornelia Hofmann, Das Kriegsende in Schmelz

Richard Dickmann, "Brücke über den Ozean", Heimatbuch des Kreises St. Wendel 1965 (+)

Für die Mithilfe bedanke ich mich bei allen Augenzeugen und Klaus Zimmer, St. Ingbert-Hassel

Werner Eckel, Limbach
Cornelia Hoffmann, Nonnweiler
Agnes Rammacher, Baltersweiler (+)
Daniel Müller, Landsweiler
Doris Jackson, College Park, Maryland, USA
meiner Frau Anne