von Roland Geiger
Über den
Absturz eines amerikanischen
Bombers und das Schicksal seiner Besatzung zwischen
Hüttersdorf und Primsweiler
am 3. August 1944.
Seit
ihrer Landung in
der Normandie am Morgen des 6. Juni 1944 befanden sich die Alliierten
Bodentruppen in ständigem Vormarsch durch Frankreich in
Richtung Westdeutschland.
Die zu ihrer Unterstützung eingesetzten amerikanischen
Luftwaffenverbände
konzentrierten ihre Angriffe deshalb auch vor allem auf
militärisch bedeutsame
Ziele in Mittel- und Ostfrankreich sowie im südwestdeutschen
Grenzraum. Schon
Tausende von Einsätzen hatten die US-Bomber in den
zurückliegenden Wochen
gegen Flugplätze, Nachschublager, Brücken und
Bahnanlagen in diesem Gebiet
geflogen.
Auch für den 3. August
1944 hatte die „Achte US-Luftflotte " wieder eine
Großoffensive geplant:
Insgesamt 37 Ziele waren für die 1.068 Viermotorigen
ausgesucht, die an diesem
Tag in England an den Start gingen. Darunter befanden sich 345
„Fliegende
Festungen", von denen 273 die ANTAR-Raffinerie in Merkwiller, den
Flugplatz Toul/Croix de Metz sowie die Verschiebebahnhöfe in
Mühlhausen und
Straßburg-Hausbergen bombardieren sollten, während
die übrigen 72 den Verschiebebahnhof
Saarbrücken zugewiesen bekamen. Dieses Ziel war von den
Amerikanern wegen
seiner hohen Durchgangskapazität von schätzungsweise
6.000 Wagen pro Tag und
wegen seiner umfangreichen Reparaturwerkstätten für
Lokomotiven und sonstiges
rollendes Material als besonders wichtig eingestuft worden.
Der Warnstelle Ottweiler
waren die mehr als 300 Bomber schon um 14.06 Uhr gemeldet worden, als
sie
Maastricht/Belgien mit Südostkurs überflogen. Als die
Flugmelder kurz darauf um
14.10 Uhr feststellten, daß sich die Maschinen „
unserem Warngebiet nähern
", wurde um 14.12 Uhr auch für Saarbrücken
„Fliegeralarm " gegeben.
Die anschließend in Ottweiler eingehenden Meldungen zeigten,
daß die Verbände
immer noch dicht beieinander flogen und weiterhin
südöstlichen Kurs einhielten.
Aber plötzlich, um 14.54 Uhr, wurde eine der Bombergruppen
zwischen Landstuhl
und Kaiserslautern mit „ wechselndem Kurs " erkannt. Elf
Minuten später
befand sich dieser Verband bereits „ im Anflug auf
Saarbrücken ", und um 15.13
Uhr wurde „Flakfeuer über Saarbrücken"
durchgegeben. Um 15.15 Uhr war die
„ Luftlage unverändert - Flugzeuge über
Saarbrücken ". Um 15.16 Uhr hieß
es dann: „Bombenwürfe im Raum Saarbrücken
", eine Meldung, die um 15.17
Uhr wiederholt wurde. Nach weiteren drei Minuten erfuhr die
Warnstelle:
„Flugzeuge kreisen im Raum Saarbrücken -
Bombenwürfe auf Burbacher Hütte und
Bahnhofsgelände ". Diese Feststellungen stimmen zeitlich
haargenau mit dem
Kampfbericht der 1. US-Bomberdivision überein, demzufolge
zwischen 15.15 und
15.20 Uhr 70 ,, Fliegende Festungen " 423 Fünfhundert Pfund
und 207
Tausend Pfund Sprengbomben im Gesamtgewicht von rund 190 Tonnen auf
Saarbrücken
abgeworfen hatten. Eine B-l 7 erhielt Flaktreffer und stürzte
um 15.21 Uhr drei
Kilometer nordwestlich von Lebach ab.
Der
Bomber hieß
„Slowball", und sein Absturzort lag östlich von
Hüttersdorf nahe dem
Forsthaus „Horrido".
Werner Eckel aus
Limbach, Verfasser des Buches „Saarbrücken im
Luftkrieg", aus dem der
vorhergehende Text mit freundlicher Genehmigung des Autors zitiert
wurde (S.
135 f.), schickte mir im Sommer 1996 eine Kopie der Verlustmeldung zu,
die
dieses Flugzeug betraf und die er aus den National Archives in der
US-Bundeshauptstadt
Washington, DC, als Microfiche erhalten hatte. Ich war zu diesem
Zeitpunkt
damit beschäftigt, alle Arten von Informationen über
abgestürzte Flugzeuge und
deren Besatzungen während des 2. Weltkrieges in Kreis St.
Wendel (und Umgebung)
zu sammeln, tatkräftig unterstützt von meinem Freund
Klaus Zimmer aus St.
Ingbert-Hassel, der auf dem gleichen Gebiet im übrigen
Saarland tätig war.
In
dieser Verlustmeldung - dem sog. „Missing-Air-Crew-Report" -
sind neben
den Daten zum Einsatz, des Flugzeuges und seiner Zugehörigkeit
auch Informationen
über die Besatzung genannt, auch deren Anschriften zur Zeit
des 2. Weltkrieges.
Nach dem Abschuß eines
Flugzeuges oder der Gefangennahme der Besatzungen wurden die
Besatzungen
durchsucht und aller Dokumente, Pässe, Briefe,
natürlich auch Geld, Photos, ja
jedes Stückchens beschriebenen Papiers entledigt. Diese
Unterlagen kamen zur
Auswertestelle West in Oberursel, wo später auch die
Gefangenen von
englischsprachigen deutschen Soldaten verhört wurden. All
diese Papiere sowie
zugehörige Telegramme, Briefe und Meldungen wurden in Akten
abgelegt und mit
einer Registriernummer versehen. Gehörte die Besatzung zu
einem amerikanischen
Bomber, hieß die Akte „KU" plus laufende Nummer (KU
= Kampfflugzeuge
USA). Ein abgeschossener Jäger erhielt ein „J" +
laufende Nummer (J =
Jäger). Nach der Besetzung Deutschlands durch die Amerikaner
wurden die Akten
in Oberursel ausgehoben und in die Vereinigten Staaten
überführt (was gut war,
sonst wären sie heute vermutlich längst vernichtet).
Dort werden sie bis heute
in den National Archives aufbewahrt und sind gegen Entgelt als Kopien
dort
erhältlich man muß nur wissen, nach was man sucht.
Die Akte der Besatzung
der „Slow Ball" erhielt das Aktenkennzeichen KU 2615.
Wir verglichen die Namen
und Anschriften von damals mit aktuellen Namen und ähnlichen
Anschriften und
konnten durch Telefonate nach Amerika eines der Besatzungsmitglieder
ausfindig
machen. Mittlerweile haben wir fünf
Besatzungsmitglieder gefunden. Drei waren
verstorben, der Co-Pilot, mit dem ich Ende Mai Kontakt aufnehmen
konnte, starb
am letzten Wochenende im Juni, und einer -Williamson - will wohl nicht
gefunden
werden.
Alle fünf Männer waren
mehr oder minder stark interessiert, über ihre
Erfahrungen zu sprechen und
diese auch teilweise niederzuschreiben
George O. Cobb, der
Bombenschütze, begann seine Schilderung der Ereignisse mit den
Worten: Lieber
Roland,
heute
habe ich deinen
interessanten Brief erhalten. Um es gleich zu sagen, er hat mich dazu
gebracht,
einige Erinnerungen wieder zurückzurufen, die sehr tief in
meinem Gedächtnis
vergraben waren. Ich werde versuchen, mich zurückzuversetzen
und sie
aufzuarbeiten, so gut es mir möglich ist. Aber zuerst sollte
ich etwas über
meinen Hintergrund erklären und wie mein Gedächtnis
und mein Leben mich selten
dazu brachten, an diese Tage zu denken und fast nie darüber zu
reden.
Ich bin fast 82 Jahre alt, spiele sehr aktiv Golf, Softball,
Bowling und verrichte außerdem freiwilligen Dienst in einem
Veteranenkrankenhaus. Ich bin seit 52 Jahren mit der gleichen
wundervollen Frau
verheiratet, habe zwei Söhne, und das ist der Grund, warum ich
nur wenig Zeit
habe, an meine Vergangenheit zu denken. Meine Großmutter
stammte aus
Deutschland, Wilhelmina Becker, und deshalb hatte ich Deutsch als
Fremdsprache
auf der High Schoo! Deshalb konnte ich auch ein
bißchen deine Sprache
sprechen. Ich kann mich an Ereignisse und Geschehnisse
erinnern, aber nicht an
Namen von Orten oder Daten. Ich habe den Beitrag von Billy Hardesty
gelesen und
möchte sagen, daß er das toll gemacht hat und die
Angaben, die er machte,
korrekt sind.
Ich
habe die Briefe aus
dem Englischen übersetzt und sie mit deutschen
Augenzeugenaussagen verglichen.
Einiges paßt sehr gut zueinander, bei anderem gibt es
deutliche Abweichungen,
hervorgerufen durch den zeitlichen Abstand von jetzt 54 Jahren und
durch die
unterschiedliche Betrachtungsweise: Auf der einen Seite die Amerikaner,
die
nach der Todesangst im brennenden Flugzeug, am Fallschirm und
bei der
Begegnung mit den und der Behandlung durch die Deutschen die
Geschehnisse
anders erlebten als die deutschen Zivilisten, die teilweise damals noch
Kinder
in einer Zeit des Schreckens und der Angst Eindrücke erfuhren,
die ihr ganzes
Leben auf den Kopf stellten.
Das
Flugzeug
Die
Boeing B-l 7 (das
„B" steht für „Bomber") war ein schwerer
viermotoriger Bomber, der
bei einem Startgewicht von 29,7 Tonnen in, acht Kilometern
Höhe eine
Höchstgeschwindigkeit von 486 km/h erreichen konnte.
„Fliegende
Festung".
Die B-l 7 von
Hüttersdorf war ein G-Modell und gehörte damit zur
modernsten Version der
B-17-Baureihe. Das Hauptmerkmal dieses Modells war eine
Geschützkanzel, der
mit einem Doppel-Maschinengewehr zum Schutz gegen frontal
angreifende
feindliche Jäger ausgestattet und unter der Nase des
Flugzeuges montiert war.
Das Flugzeug war am 2.
Dezember 1943 von der Hersteller-Firma Boeing an das Militär
ausgeliefert
worden, kam am 31.12.1943 in England an und wurde knapp 14 Tage
später der 35Ist Bomb Group, 51st Bomb Squadron
übergeben, die auf dem Flugplatz Polebrook in Northamptonshire
stationiert war.
Seine Schwanzfinne zierte ein schwarzes „J" in
weißem Dreieck, das Symbol
der 351st
Bomb Group. Unmittelbar darunter war seine
Army-Seriennummer zu
lesen: 297492, darunter der Buchstabe „B". Eine der ersten
Besatzungen,
die es flog, gab ihm den Spitznamen „Slow Ball" (Langsamer
Ball).
Das
Angriffsziel der 351st Bomb Group am frühen Nachmittag des 3.
August 1944 war
der Verschiebebahnhof von Saarbrücken. Der Bombenabwurf war
für 15.15 Uhr
geplant.
Der
Flug
Die
Besatzung der „Slow
Ball" bestand aus 9 Mann:
Alle
Besatzungsmitglieder befanden sich auf ihrem 13. Einsatz mit Ausnahme
des
Heckschützen James O. Atkins. Er sprang als Ersatzmann
für den krank gewordenen
Heckschützen ein. Atkins war mit 31. Einsätzen schon
fast ein Veteran - noch
vier weitere Einsätze, dann durfte er nachhause. Dies war sein
2. Einsatz mit
der Brackens-Crew; vor ein paar Wochen war er mit ihnen zusammen nach
Peenemünde geflogen.
|
Name |
Vorname |
Rang |
Dienstnummer |
Pilot |
Brackens |
Ralph S. |
2Lt |
O-815063
*10.01.1921 |
Co-Pilot |
Beals |
William M. |
2Lt |
O-460767 |
Navigator |
Mosely |
Daniel W. |
2Lt |
O-707306
*17.11.1919 |
Bombenschütze |
Cobb |
George O. |
2 Lt |
O-701445 *1916 |
Oberer MG-Turm |
Williamson |
William F. |
SSgt |
37503239 |
Funker |
Hardesty |
Billy M. |
SSgt |
37514205 |
Seitenschütze |
McCrary |
George A. |
Sgt |
14149527 |
Kugelturmschütze |
Mattice |
Robert F. |
Sgt |
32745939
*23.02.1924 |
Heckenschütze |
Atkins |
James O. |
SSgt |
7084788 |
Die
Flugzeuge der 351st
Bomb Group starteten gegen Mittag von ihrer Basis nahe Polebrook in
Ostengland
und formierten sich in der Luft - drei Flugzeuge schlossen sich zu
einer
„Box" zusammen, wobei das mittlere Flugzeug vornweg
flog, mit einem
Flügelmann rechts dahinter und etwas höher fliegend
und einem linken
Flügelmann, links dahinter und etwas tiefer fliegend. Drei
„Boxen formierten
sich zu einer „Squadron", wiederum eine in der
Führung und jeweils eine
rechts drüber und eine links drunter. Diese Figur setzte sich
auch in den
nächst größeren Zusammenschlüssen
fort, als sich drei „Squadrons" zu einer
„Group" und drei „Groups" zu einer
„Combat Wing" zusammenschlossen.
Die
„Slow Ball" war die rechte Flügelmaschine in der
„High Box", „High
Squadron", „High Group", der 94. „Combat Wing"
(siehe
Darstellung).
Die Flugroute führte über Belgien und Luxemburg bis
nördlich von Saarbrücken in
etwa 8.600 m Höhe. Nach weiteren 40 km drehte die Formation um
etwa 180 Grad
und flog Richtung Ziel in nordwestlicher Richtung. Sie erreichte den
Zielanflugspunkt
(„Initial Point") und gerieten fast sofort in das heftige
Feuer der
Schweren Saarbrücker Flakbatterien. Unmittelbar nach Abwurf
der Bomben wurde
die „Slow Ball" getroffen:
Abschuß und Absprung
Bestandteil der
amerikanischen Verlustmeldung ist der Abschußbericht der
Saarbrücker
Flakstellung (KU 2615):
Schweres
Flak Battaillon
631 04. August 1944
betr.: Abschuß einer
Fortress II nahe Lebach am 3.8.1944, 15.21 Uhr an: Dulag West,
Informationszentrum,
Oberursel
Während des Luftangriffs
auf Saarbrücken am 3.8.44 schoß das Schwere Flak Bn
631 ein feindliches
Flugzeug vom Typ Fortress Ii um 15.21 Uhr ab.
Nach Augenzeugenberichten
explodierte es in einer Stichflamme und zerlegte sich
vollständig in der Luft.
8 Piloten konnten sich mit dem Fallschirm retten.
Die folgenden
Besatzungsmitglieder
wurden gefangen genommen:
McCrary George
Feldwebel 15.30 Uhr im Umkreis um den Absturzort
Cobb III George C.
Oberleutnant 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Williamson William Stabsfeldwebel
15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Hardesty Billy M. Stabsfeldwebel 15.30 Uhr nahe
dem Absturzort
Atkins James O.
Stabsfeldwebel 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Beals William M, Leutnant.
15.30 Uhr nahe dem Absturzort
Mattice Robert F. Feldwebel 15.30
Uhr nahe dem Absturzort
Brackens Ralph F.
Oberleutnant 15.30 Uhr nahe dem Absturzort
(verletzt)
Nach
Abschluß des
Einsatzes am späten Nachmittag in England meldeten die
Heckschützen zweier
Flugzeuge, die ebenfalls an der Mission teilgenommen hatten,
den Abschuß der
Slowball:
SSgt Thomas R. Sowell:
Ich,
Thomas R. Sowell, flog als Heckschütze des Flugzeuges
43-37862, das sich in Nr. 3 Position, High Squadron, Low Box auf einem
Einsatz
nach Saarbrücken, Deutschland, am 3. August 1944 befand.
Während des
Zielanfluges wurde unsere Formation durch Flak angegriffen, und ich
sah, wie
Lt. Brackens Flugzeug, das in der High Squadron über mir flog,
getroffen wurde
und zu rauchen anfing. Motor Nr. 3 wurde in Brand geschossen. Es fiel
aus der
Formation und begann zu sinken. Während seines Sinkens sah ich
einen (1)
Fallschirm aus dem Flugzeug kommen.
Das Flugzeug sank weiter
und kam schließlich außer Sicht. Es schien so, als
ob er in einem zu steilen
Sinkflug sei, als das es unter Kontrolle gewesen sein könnte.
Ich hörte nichts über
Funk.
SSgt
Leon W. Casto:
Ich,
Leon F. Casto, flog
als Heckschütze im Flugzeug Nr. 43-37571
(Führungsflugzeug der High Squadron,
High Box) einen Einsatz nach Saarbrücken, Deutschland, am 3.
August 1944. Kurz
nach dem Bombenabwurf sah ich, daß Lt. Brackens, der zu
meiner Rechten flog,
von der Flak getroffen wurde. Ich schaute und konnte Flammen aus der
Tragfläche
hinter Motor Nr. 3 kommen sehen. Er fiel in den hinteren Teil der
Formation und
begann dann, an Höhe zu verlieren. Kurz bevor das Flugzeug zu
sinken begann,
sah ich einen Fallschirm sich davon lösen. Der Pilot versuchte
dann scheinbar,
das Flugzeug wieder in die Formation zurückzubringen, schaffte
es aber nicht.
Es sank weiter, und dann explodierte das Flugzeug mitten in der Luft,
kurz bevor
es in eine Wolkenbank sank. Ich sah definitiv brennende Teile
über den ganzen
Himmel zerstreut, nachdem es explodiert war. Ich hörte nichts
über Funk.
Die
Minuten zwischen
Getroffenwerden, Absprung und Landung auf dem Boden erlebte
jedes
Besatzungsmitglied der Slowball auf seine eigene Art und Weise.
Heckschütze
James O.
Atkins
Als
wir im Zielgebiet
ankamen, gerieten wir allmählich in ziemlich heftiges
Flak-Feuer. Auf dem
ganzen Weg waren wir nicht auf Jäger gestoßen. Die
letzten Worte, die ich über
den Bordfunk hörte, waren ,,Bomben ab!", dann brach die
Hölle los. Wir
erhielten drei direkte Treffer durch 8.8-Kanonen, eins-zwei-drei
innerhalb von
fünf Sekunden. Das Flugzeug glitt nach rechts und ging dann in
einem steilen
Trudeln nach unten. Motor Nr. 3 brannte, und Flammen
schössen nach hinten in
Richtung des Hecks. Ich schaute nach vorne ins Mitteldeck und
sah, wie andere
Crewmitglieder ausstiegen. Ich zog mich nach vorne bis zur
Mitteldeck-Luke und
sprang ab. Ich sprang durch die Flammen des brennenden Motors und
fühlte die
Erschütterung, als das Flugzeug explodierte. Ich zog
meine Reißleine, und der
Fallschirm öffnete sich. Das schien jedenfalls so, denn ich
hörte nichts. Ich
hatte nicht bemerkt, daß ich an vier Stellen von
Flaksplittern getroffen worden
war und auf dem Weg nach unten schlimm blutete.
Funker Billy Hardesty
Es
gab keine besonderen Vorkommnisse während des Starts oder beim
Überqueren des Kanals. Wir versuchten die ganze Zeit, bei der
Formation zu
bleiben. „ Slow Ball" war nicht nur ein Spitzname, es war
eine sehr
langsame B-l 7G. Als wir den IP zum Zielanflug erreichen,
stießen wir auf Flak,
erhielten aber keine Treffer. Mein Job war es, die Bomben fallen zu
sehen und
ihnen bis ins Ziel mit den Augen zu folgen. Nachdem die Bomben los
waren und
bevor sie den Boden trafen, erhielten wir einen direkten Treffer in den
Innenmotor auf der Steuerbordseite (Nummer drei).
Es muß den
Propeller-Regler getroffen haben, denn wir hatten nun einen Propeller,
der
außer Kontrolle rotierte, und ein großes Feuer. Der
Co-Pilot schrie durchs
Intercom: „ Wir müssen raus aus diesem Hurensohn!"
Und sofort hinterher: „
Nicht beachten!"
Innerhalb weniger
Sekunden gab es einen Treffer im Bombenschacht und einen weiteren in
der
Funkerkabine. Ich hatte meinen Fallschirm noch nicht an, sondern nur
das
Gurtwerk. Als ich mich umdrehte, um meinen Brustfallschirm aufzunehmen,
brannte
dieser. Die Funkerkabine und der Bombenschacht waren so blau, als ob
man unter
einer Zinnkanne einen großen Berg Chinakracher
angezündet hätte. Ich schlug das
Feuer an den Seilen meines Fallschirms aus und zog den Fallschirm an.
Wir
gingen außer Kontrolle runter. Ich half mit, ein Crewmitglied
mit geöffnetem
Fallschirm zur hinteren Tür zu zerren, und stieß ihn
hinaus. Er lebte. Wir
brannten sehr stark. Der Bordmechaniker stand im vorderen Teil des
Bombenschachtes. Wir winkten uns zu; er sprang aus dem Bombenschacht,
und ich
sprang durch die hintere Ausstiegsluke durch eine Feuerwand.
Das Flugzeug
explodierte, als der Bordmechaniker und ich durch das Feuer
waren. Zu diesem
Zeitpunkt waren noch 4 Mann an Bord, als es explodierte. Alle
überlebten.
Bombenschütze Cobb
Der
Tag unseres
Einsatzes auf den Verschiebebahnhof von Saarbrücken war am 3.
August, dem
Geburtstag meines ältesten Sohnes. Wir flogen in der
B-17SLOWBALL. Ich hatte
unsere Bomben abgeworfen, und die Flack traf uns schwer direkt danach.
Wir
wurden in Motor Nummer Drei getroffen (innenbords rechts), der anfing
zu
brennen. Der Pilot Ralph Brackens versuchte es zu löschen,
schaffte das aber
nicht, auch nicht, als er das Flugzeug in einen Sturzflug brachte. Ich
befand
mich in der Flugzeugnase mit dem Rücken zur Plexiglaskanzel,
als der Absprungbefehl
kam. Ich trug meinen Brustfallschirm nicht, weil ich sonst das
Bombenzielgerät
nicht richtig bedienen konnte. In diesen paar schrecklichen Sekunden
gab mir
Doc Mosely meinen Fallschirm und rettete mir damit vermutlich das
Leben. Ich
ließ den Haken des Fallschirms in den rechten Ring meines
Gurtwerks
einschnappen. In diesem Moment schleuderte mich die Explosion mit
solcher
Gewalt nach hinten, daß ich mit dem Rücken und
meinem Oberkörper in die
Glaskanzel flog und das Bewußtsein verlor. Als ich zu mir
kam, fiel ich durch
die Luft nach unten, und ich fühlte nach meinem Fallschirm,
und da war nichts.
Ich konnte mich einen Moment lang nicht erinnern und dachte, ich
hätte
vergessen ihn anzuziehen. So viele Dinge gingen mir durch den Kopf,
aber
hauptsächlich, wie schlecht sich meine Familie fühlen
wird, wenn sie von meinem
Tod erfährt. Dann fühlte ich etwas über mir,
der Ring meines Gurtwerks hatte
sich gelöst, und der Fallschirm tanzte über meinem
Kopf. Natürlich war ich glücklich
darüber, ihn herunterziehen, an der anderen Seite einhaken und
die Reißleine
ziehen zu können. Als ich nach oben schaute, konnte ich das
Flugzeug schnell
trudeln sehen, und kein Fallschirm befand sich in seiner Nähe.
Dann brachen
die Tragflächen ab, das Trudeln hörte auf, und
Brackens konnte abspringen. Als
ich hinunterkam, konnte ich das Schwirren von Kugeln um mich herum
hören, deshalb
begann ich, mich von einer Seite zur anderen zu schwingen, und
glücklicherweise
traf mich keine Kugel. (Auf
die Fallschirmspringer wurde nicht geschossen; bei den
herumschwirrenden Kugeln handelte es sich wahrscheinlich zum
Wrackteile bzw.
explodierende Munition
Co-Pilot Beals
Als
das Flugzeug
getroffen wurde, geriet ich in Panik und eilte mit meinem
Fallschirm hinunter
zur vorderen Luke (nose hatch). Dort wurde ich wieder etwas
ruhiger, besann
mich und stieg zurück auf den Co-Pilotensitz. Etwas
später sagte Brackens dann
zu mir: ,, Mach, daß du rauskommst!" Ich stieg hinunter in
die
Flugzeugnase und sah, daß das Plexiglas in der Nase nicht
mehr da war. Ich
kletterte nach vorne und sprang durch das große Loch
hindurch. Das Flugzeug war
schon ziemlich tief gewesen, deshalb zog ich meine Reißleine
sofort. Kaum war
der Fallschirm offen, war ich auch schon unten. Kurz vor der Landung
nahm ich
die vorgeschriebene Haltung ein und kam deshalb unverletzt unten an.
Navigator Mosely
Der Navigator, Daniel W.
„Doc" Mosely, faßte am Telefon die Geschehnisse an
Bord während der
letzten Minuten des Fluges zusammen:
Der
erste Flaktreffer
setzte Motor Nr. 3 außer Funktion und in Brand. Ein
Splitter durchbrach die
Seitenwand der Maschine und landete genau vor meinen
Füßen. Ich wollte mich
bücken, um ihn aufzuheben - quasi als Souvenir - als mir eine
innere Stimme
riet: „Laß das bleiben!"Also richtete ich mich
wieder auf, und in diesem
Moment war mir, als würde der Boden unter meinen
Füßen angehoben. Ich stand auf
einer Flak- Weste, die durch den 2. Flaktreffer in die Höhe
gerissen wurde.
Hätte ich mich gebückt, hätte ich die volle
Ladung in die Brust bekommen. Da
wir gerade unsere Bomben abgeworfen hatten, waren die Bombenklappen
noch offen.
Den hinteren Rand des Bombenschachtes traf der 3. Flaktreffer;
Schrapnelle
durchschlugen den Kugelturm, der unter dem Flugzeug hing, und
verletzten den
Kugelturmschützen Mattice an der Hand. Mattice nahm dies zum
Anlaß, seine Kugel
zu drehen und nach oben auszusteigen. Ein weiterer Grund war,
daß die Kugel zu
eng war, um sich darin mit Fallschirm aufzuhalten. Er schaute sich um
und sah
den Seitenschützen McCrary, der halb bewußtlos auf
dem Rücken lag. Er litt an
Sauerstoffarmut. Der letzte Treffer hatte das Flugzeug so stark
erschüttert,
daß es ihn von den Beinen warf und er gegen die Bordwand
schlug. Dabei riß sein
Sauerstoffschlauch aus der Fassung; er war kurz vor dem Ersticken. Er
glaubte
oder träumte, er befände sich in freiem Fall
außerhalb des Flugzeuges, und zog
deshalb die Reißleine seines Fallschirmes. Dieser
öffnete sich auch prompt -
aber innerhalb des Flugzeuges. Mattice packte den geöffneten
Fallschirm,
knüllte ihn vor seiner Brust zusammen, nahm McCrary in den Arm
und sprang mit
ihm aus dem Seitenfenster.
Der
sich sofort wieder öffnende Schirm dürfte der gewesen
sein, den die Heckschützen
der Begleitflugzeuge gesehen hatten. Mattice ließ sich zuerst
ein bißchen
fallen, bevor er seinerseits die Reißleine zog.
Mosely berichtet weiter:
Der Funker Billy Hardesty sah aus seiner Funkerkabine,
daß Mattice und
McCrary in Schwierigkeiten waren. Er schaute nach vorne durch den
Bombenschacht, winkte dem Bordingenieur zu und sprang ebenfalls durch
das
Seitenfenster. Der Bordingenieur, dessen Feuerstellung sich direkt
hinter den
Pilotensitzen befindet, sprang durch den brennenden
Bombenschacht hinaus.
Treffer Nr. 4 traf das Heck des Flugzeuges, wo sich der
Heckschütze Atkins
aufhielt, und zerschmetterte die ganze Position - nur Atkins blieb
unverletzt.
Er drehte sich um und wollte durch seine Notluke aussteigen, aber die
war
verklemmt. Also kletterte er nach vorne zur Seitentür
und stieg durch diese
aus.
Noch
vor dem letzten
Treffer ging das Flugzeug in den Sinkflug, den Pilot und Co-Pilot an
den
Kontrollen in einen kontrollierten Absturz zu verwandeln suchten, um
der Crew
Gelegenheit zu geben abzuspringen. Ich schaute zum
Bombenschützen, der mit dem
Gesicht zu mir saß und seinen Fallschirm suchte. Ich reichte
ihn hinüber und
hakte einen der Haken ein. Den Rest konnte Cobb selbst erledigen. Nun
mußte ich
zusehen, daß ich meinen eigenen Fallschirm anzog.
Während ich dies tat, drehte
ich mich zur Luke um, die sich im hinteren Teil der Nase auf der
rechten Seite
hinter dem Navigatortisch befand. Ein Ruck ging durchs Flugzeug, und
ich fiel
auf den Rücken. Bevor ich noch etwas tun konnte, flog das
Flugzeug in die Luft,
und Cobb und ich wurden hinausgeschleudert.
Augenzeugen
Auch
auf dem Boden wurde
das Flugzeug und seine letzten Minuten beobachtet. Robert Paulus aus
Hüttersdorf sah, wie sich das Flugzeug von Saarwellingen her
näherte. Etwa in
Höhe der Primsbrücke drehte es in Richtung Lebach.
Dann legte es sich auf die
rechte Seite und fiel nach unten. Kurz darauf explodierte es. Die
Insassen
waren schon vorher einer nach dem anderen hinausgesprungen. Nach der
Explosion
sprang noch ein Mann ab.
Die Explosion riß das
Flugzeug in mehrere Teile. Der Pilot Brackens schaffte es praktisch im
letzten
Moment noch, aus dem Cockpit-Teil hinauszuspringen. Ein
großes Teilstück des
vorderen Rumpfteils landete auf dem freien Feld unterhalb des
Forsthauses
Horrido. Dieses Feld wird „Hahnenfeld" genannt und
gehört zum Lebacher
Vorort „Hahn". Deshalb mußten die Landwirte
Nikolaus Schäfer, Josef und
Johann Sauer aus Hahn auf die Trümmer aufpassen.
Ein Augenzeuge aus
Hüttersdorf, der damals 8 Jahre alt war, sah das Flugzeug
über dem Wald
explodieren, nur Funken waren zu sehen. Dann sah er Fallschirme
runtergehen. Er
hielt sich zuhause in Hüttersdorf auf; seine Mutter sprang
aufs Fahrrad, und
er stieg mit auf. Drei Männer waren im Wald beim Flugzeug
gelandet, einer hoch
in einem Baum. Er hatte beide Beine gebrochen. Einer kam nahe
Primsweiler
herunter. Alle Gefangenen kamen erst nach Primsweiler, da von dort bis
zur Absturzstelle
ein direkter Weg war. Der Junge lief ein paar Tage später mit
seinen Freunden
erneut zum Wrack;
darin befand sich eine große Blutlache, um
die Bienen flogen.
Als die Jungen kamen, wurden sie von den Bienen angegriffen und
verjagt. Benno
Altmeyer aus Bettingen hielt sich in Bettingen auf. Er sah das
Flugzeug, das in
Formation von Saarbrücken her kam und qualmend aus dem Verband
fiel. Die Leute
an Bord sprangen am Fallschirm heraus. Kurz nachdem der letzte raus
war,
explodierte das Flugzeug. Über die Trümmer flogen
Begleitjäger vom Typ P-51
Mustang hin und her.
Richard Dickmann aus
Hüttersdorf (heute Urexweiler) war damals 11 Jahre alt. Er
hielt sich mit
seiner Mutter und drei jüngeren Brüdern in einem von
drei Bunkern am
Ortsausgang von Hüttersdorf Richtung Schmelz-Außen
auf, etwa 800 m von seinem
Elternhaus entfernt. Seine Mutter war mit seinen kleineren
Brüdern voll
beschäftigt, deshalb konnte er aus dem Bunker entwischen, als
das Flugzeug
explodierte. Er lief nachhause, schnappte sich das Fahrrad
seines Vaters und
fuhr Richtung Hahnenwald. In seiner teilweise fiktiven
Erzählung „Brücke über
den Ozean", die 1965 im Heimatbuch des Kreises St. Wendel erschien,
würdigt er die Verdienste des Hüttersdorfer
Polizisten Peter Lehnert, der sich
nicht weit vom Horrido entfernt gegen eine Menschenmenge behauptete,
die einen
der Amerikaner lynchen wollte. Die Explosion war so stark,
daß Teile des
Flugzeuges über dem gesamten Gebiet verstreut wurden. Eine
komplette Bordtür
landete im Garten des Hauses Schmitt in der Hüttersdorfer
Fischerstraße, etwa
zwei Kilometer vom Aufschlagpunkt am Forsthaus Horrido
entfernt.
Landungen
Es
ist mir trotz
sorgfältiger Recherche sowohl in den Vereinigten Staaten als
auch hier in
Deutschland nicht gelungen, den Landeort aller Besatzungsmitglieder
exakt zu
lokalisieren. Wie etwa das Beispiel „Körprich"
zeigt, kann sich zwar die
Zivilbevölkerung genau daran erinnern, doch
paßt diese Erinnerung zu keiner
Beschreibung seitens der amerikanischen Besatzung.
Fünf Männer der Besatzung
sind tot oder nicht auffindbar. Ich weiß zwar
ungefähr, was sich im Wald
unterhalb des Forsthauses Horrido abspielte, aber den Piloten,
Lt. Brackens,
der dort Mittelpunkt des „Interesses" war, kann ich nicht
mehr fragen,
weil er nicht mehr lebt. Ich weiß zwar den Namen des Mannes,
der auf ihn
losging, aber auch der lebt nicht mehr, und ich wage es nicht, mich mit
seinen
Kindern in Verbindung zu setzen. Im amerikanischen Nationalarchiv in
Washington, DC,
liegt die komplette Kriegsverbrecherakte über das, was sich
zumindest am
Horrido zugetragen hat. Eine Kopie davon - etwa 200 - Seiten
stark - habe ich mittlerweile erhalten; sie wartet seit 11 Jahren auf
ihre Bearbeitung - und wird auch noch weiter warten müssen.
Und noch etwas: Selbst
als Amateur-Historiker bemühe ich mich, sachlich zu bleiben.
Sie werden von mir
keine Wertung der Geschehnisse erfahren, weil das nicht meine Aufgabe
ist. Aber
seien Sie versichert, daß ich alle Zitate wörtlich
wiedergebe und niemanden
schone, denn das ist die andere Seite der Sachlichkeit. Der
Engländer David
Blackbourn hat es in seinem jüngst erschienen Buch
über die Marienerscheinungen
in Marpingen in der Einleitung treffend ausgedrückt: Doch
Historiker dürfen
sich gegenseitig auslachen oder tadeln - was sie nicht sollten, ist,
sich auf
Kosten der historischen Akteure ein billiges Vergnügen zu
verschaffen oder sie
über ihre Fehler und Irrtümer aufzuklären.
Unsere Aufgabe ist es nicht, Noten für
schlechtes Betragen auszuteilen. Namen von deutschen Zivilisten, die
sich nicht
entsprechend den Genfer Konventionen benommen haben, mache ich
unkenntlich oder
deute sie nur an. Vielleicht wissen Sie, wer gemeint ist.
Co-Pilot Beals
Er kam in einem
Kartoffelacker herunter. Die Felder waren in schmale, lange
Streifen
aufgeteilt, in denen abwechselnd Kartoffeln und Gerste angebaut wurden.
Etwa
300 m von ihm entfernt schlug der vordere Teil des Flugzeuges auf, den
er kurz
vorher verlassen hatte. Dieses Teil brannte sehr stark; die Munition
drin
explodierte laufend, und er dachte schon, die Deutschen würden
auf ihn
schießen. Uber sich sah er einen weiteren Fallschirm; es war
Brackens, der
Pilot. Der kam sehr schnell herunter, schaukelte sehr stark hin und her
und
schlug beim Aufsetzen einen kleinen Baum um. Dabei brach er sich ein
Bein.
Beals lief zu ihm hin. Er wollte ihm eine Morphiumspritze gegen die
Schmerzen
geben, aber er hatte fast seine ganze Ausrüstung verloren.
Brackens sagte
nochmal zu ihm: „Mach daß du wegkommst!" Beals
haßte es zu gehen, aber er
gehorchte. Er wandte sich nach Süden und ging am Wrack
vorbei
über einen gut
ausgetretenen Pfad Richtung Primsweiler. Er war noch nicht weit
gekommen, als
er auf eine Gruppe von etwa 10 Jungen traf, die ihn
gefangennahmen. Sie
brachten ihn nach Primsweiler.
Dort traf er auch wieder
auf den Piloten. Brackens war mißhandelt worden; sein
Rücken wies einen
Messereinstich auf. Mit einem Lkw wurden sie nach Lebach in ein
Krankenhaus
gebracht und dort behandelt. Beals hatte ein paar kleinere
Verletzungen, aber
das Bein des Piloten mußte gerichtet werden. Sie setzten ihm
Metallklammern
ein. Auch der BTG Robert F. Mattice (sprich: Metteis) hatte ein
gebrochenes
Bein und wurde nach Lebach gebracht. Sie verbrachten eine Nacht im
Krankenhaus,
bewacht von einem Soldaten mit einem Totenkopf auf der Uniform. Am
nächsten
Morgen ging es per Lkw nach Saarbrücken in ein
Gefängnis, wo sie ebenfalls
übernachteten. Am darauffolgenden Morgen wurden sie mit dem
Zug bis nach
Frankfurt gefahren; Beals erinnert sich genau daran, daß das
große Dach des
Bahnhofs nicht mehr existierte. Der nächste Halt war
in Wetzlar, dann kamen
sie in Einzelhaft in Oberusel - 4 Nächte und 3 Tage
lang. Am 4. Tag - es muß
der 12. August 1944 gewesen sein - wurde Beals zusammen mit Cobb per
Eisenbahn
nach Sagan ins Stalag Luft 3 verlegt.
Als ich am 2. Juli 1998
im Hause Beals in Arizona anrief, um mehr Einelheiten zu erfahren,
erfuhr ich
durch seine Tochter, daß er am Wochenende zuvor gestorben war.
Pilot Brackens und
Bombenschütze Cobbs am Forsthaus Horrido
Es
ist nicht verwunderlich, daß die Augenzeugen, die ich
befragte, zu dem, was dem
Piloten, Lt. Brackens, widerfuhr, entweder schwiegen, also nichts sagen
wollten, zögerlich reagierten oder gar vorgaben, nichts davon
zu wissen. Es
gibt einige Varianten dieser Geschichte, und nicht unbedingt
die letzte
Wahrheit liegt in den Kriegsverbrecherakten im National Archives in
Amerika.
Wie schon Beals erzählt
hat, sprang Brackens als letzter Mann aus der Maschine, kurz
bevor sie - durch
die Explosion in Stücke gerissen - im Wald beim Horrido
aufschlug. Sein
Fallschirm öffnete sich, und binnen Sekunden erreichte er den
Boden. Er hatte sich
unter dem Schirm noch nicht ausgependelt und schlug daher beim Landen
die
Spitze einer jungen Fichte ab, wobei er sich mindestens ein Bein brach.
Er lag
also auf dem Boden, mit dem Rücken gegen einen Baumstamm
gelehnt, und war bei
Bewußtsein, als die Leute aus Hüttersdorf eintrafen
und ihn in diesem Zustand
fanden.
Unter diesen Leuten
befand sich auch ML Er wohnte in Hüttersdorf und war Mitte
Vierzig. Aus dem,
was ich aus den Zeugenaussagen herauslese, hat ML den wehrlosen Mann am
Boden
mit Fußtritten auf das heftigste mißhandelt. Ob er
dies allein tat oder in der
Menge Unterstützung fand, weiß ich nicht. Jedenfalls
hat ihn zunächst niemand
daran gehindert.
Eine Zeugenaussage
besagt, ein deutscher Soldat aus Gresaubach habe ihn
schließlich davon abgehalten,
aber meine Nachforschungen haben ergeben, daß zwar
tatsächlich ein junger
18-jähriger Soldat aus Gresaubach, August Kühn, sich
dort in Zivil aufhielt,
dieser aber sich aus verständlichen Gründen nicht
traute, gegen den wesentlich
älteren und kräftigeren ML vorzugehen. Hierbei
muß auch die Zeit betrachtet
werden, in der die Geschehnisse stattfanden. ML war vermutlich eine
lokale
Parteigröße, der sich seiner Sache sicher war.
Jemand, der gegen ihn vorging,
mußte mit ggf. nicht geringen Konsequenzen rechnen.
Kühn, der somit kein
Feigling war, konnte sich ein wenig mit dem Amerikaner unterhalten und
wollte
ihm eine Zigarette geben; dies wurde aber von ML oder jemand
anderem
verhindert. Die Situation änderte sich grundlegend, als von
Primsweiler her Leute
dazu kamen.
Johanna Harfinger aus
Primsweiler erzählt, daß ihre Familie sich in ihrem
Elternhaus aufhielt, als
sie die Explosion hörten. Sie liefen vor die Haustür
und sahen die Fallschirme
herunterkommen. Ihr Vater Franz Groß
(Jahrgang 1895) war
Ortsvorsteher von
Primsweiler. Er schulterte sein Jagdgewehr und lief in den Wald, um
nach den
Fallschirmspringern zu suchen.
Am Ortsrand von
Primsweiler lagen drei Luftschutzbunker (sie wurden nach dem Krieg
durch die
Franzosen in die Luft gejagt). Die Rot-Kreuz-Helferin Helene Frischbier
(heute
Helene Wirth) hatte an diesem Tag Dienst im mittleren der drei Bunker.
Plötzlich rief jemand, es sei ein Fallschirmspringer gelandet.
Helene hängte
sich ihre Tasche um und traf vor dem Bunker auf Franz Groß,
der ihr zurief:
„Na, da müssen wir mal wieder rennen!" Zusammen
liefen sie los. Es war
eine gute Strecke zurückzulegen. Im Wald unterhalb des
Forsthauses Horrido
stießen sie auf die oben beschriebene Szene. Etwa um diese
Zeit traf der Chef
der Hüttersdorfer Feuerwehr, Jakob Sinnwell, vor Ort ein. Als
er gewahr wurde,
was ML und Consorten trieben, schritt er sofort und vehement ein.
Der Amerikaner lag auf
dem Boden, mit dem Rücken gegen einen umgestürzten
Baumstamm gelehnt. Helene
kümmerte sich pflichtgemäß sofort um ihn.
Einige Leute halfen ihr dabei, das
verletzte Knie zu verbinden und das gebrochene Bein zu schienen.
Schließlich
hängte sie ihm einen Zettel um, auf dem sie Zeit und Ort und die Notiz
„erstversorgt durch Helene
Frischbier" geschrieben hatte. Aus Dankbarkeit steckte ihr der
Amerikaner
etwas Schokolade zu. Jemand hatte einen Handwagen herangeschafft, in
den sie
den verletzten Flieger hineinlegten. Mit seinem gebrochenen Bein
hätte er
unmöglich laufen können.
Sie waren gerade fertig
zum Abtransport, als sich von unten aus Richtung Hüttersdorf
Männer näherten,
die einen weiteren Gefangenen mit sich führten. Er konnte kaum
laufen und hatte
eine Verletzung am Knie.
Es handelte sich um den Bombenschützen George Cobb.
Dieser schreibt:
Ich
kam in dichtem Gehölz runter, und der Fallschirm verfing sich
in einer
Baumkrone etwa fünf Meter über dem Boden. Ich konnte
mich aus dem Schirm
befreien und fiel auf den Boden auf mein rechtes Bein und zog mir eine
schlimme
Knieverletzung zu. Als ich auf dem Boden landete, hörte ich
die Geräusche und
Stimmen von Männern, die durch die Bäume kamen. Ich
legte mich in ein trockenes
Bachbett (Graben) und bedeckte mich mit vertrockneten
Blättern. Nach einer
Weile, als die Geräusche verklungen waren, kletterte ich
heraus und setzte mich
hin, gegen einen Baum gelehnt. Ein Bein meines Fliegeranzuges war am
Bein
abgerissen, und meine Karte, der Kompaß und die
Überlebensrationen waren weg.
als ich mich am Kopf kratzte, schaute von hinten ein Gewehrlauf auf
mich herab.
Ein großer älterer Mann und ein Junge
hießen mich, meine Hände zu heben und
aufzugeben. Der Junge hatte etwas Englisch in der Schule gehabt, und
wir
verstanden ein wenig, was jeweils der andere sagte.
Es ist nicht bekannt,
wer der ältere Mann war, aber der „Junge" war
wahrscheinlich der spätere
Organist Josef Becker aus Hüttersdorf. Becker hatte
während seines Studiums
Englisch sprechen gelernt und konnte sich mit dem Amerikaner
unterhalten. Die
Männer hakten den Amerikaner unter und gingen mit ihm in
Richtung
Absturzstelle. Hans Groß sah sie kommen und ließ
Helene Groß mit der ersten
Gruppe und dem Piloten im Handwagen vorangehen. Er schloß
sich der neu hinzugekommenen
Gruppe an, die wesentlich langsamer vorankam, weil der Amerikaner nur
humpeln
konnte. Johanna Harfinger, die
Tochter von Franz Groß, war zusammen mit vielen Leuten aus
Primsweiler ihrem
Vater in den Wald gefolgt. In der Holzung „Böschen"
etwa 15 Minuten vom
Ort entfernt - stießen sie auf Franz Groß, den
Amerikaner und deren Gefolge,
das aus etlichen Hüttersdorfern bestand. Sie hatten Rast
gemacht, der
Amerikaner saß auf dem Boden.
Ein Mann aus
Hüttersdorf, EP, wollte sich an Hans Groß
vorbeidrängen. Er hob ein Gewehr oder
einen Stock und schrie: „Geh weg, Hans. Ich schlage ihn tot."
aber Groß
ließ sich nicht beirren, stellte sich zwischen die beiden und
entgegnete: EP,
verschwinde, der Mann geht mit mir."
Cobb
wurde nach
Primsweiler in das Haus Franz
Groß gebracht, wo er im
Wohnzimmer auf einem
Stuhl Platz nehmen durfte; das Wohnzimmer füllte sich schnell
mit Neugierigen.
Ein Angebot, etwas zu essen, lehnte der Amerikaner ab. Nein, aber er
habe
Durst. Groß holte Wasser aus der Pütz in der Scheune
und gab ihm etwas zu
trinken.
Hobb erzählt weiter: Sie
brachten mich in eine Stadt, und der Großvater war gezwungen,
sein Gewehr zu
zeigen, damit einige Leute sich nicht meiner bemächtigen
konnten (auf meine
Rückfrage erzählte er mir am Telefon, jemand sei mit
einem Auto gekommen und
wollte ihn mitnehmen, aber sein ,, Gastgeber " habe das vehement
abgelehnt). Er übergab mich an einen - so glaube ich -
Volkssturmoffizier, der
mich durch den Wald in ein anderes Dorf brachte. Einmal steckte ich mir
eine
Zigarette an, was ihn sehr böse machte, als er einen
Pistolenlauf gegen meinen
Kopf hielt und mir einen Haufen deutscher Worte entgegenschrie. Nach
ein paar
Worten war ich so deprimiert, ganz allein in Deutschland zu sein und
hilflos
dazu, daß ich ihm ins Gesicht lachte, ihm Worte zurief die er
noch nie gehört
hatte, und ihm sagte, er solle weitermachen und mich
erschießen. Kurz darauf
beruhigte er sich wieder und erklärte „offenes Feuer
im Wald", und ich
sagte ihm, daß ich ihn verstanden hätte. Ab diesem
Moment gab es keine Probleme
mehr zwischen uns, und er übergab mich in der Stadt an
deutsche Soldaten. Die
Stadt hatte eine Art Gefängnis, und man behielt mich dort
über Nacht. Heckschütze
Atkins und Kugelturmschütze Mattice. Ebenfalls nicht weit von
der
Aufschlagstelle der Flugzeugtrümmer landete der
Heckschütze
James Atkins:
Als
ich mich dem Boden
näherte, hörte ich Gewehrfeuer, das auf mich
gerichtet war. Einige Schüsse
trafen meinen Schirm, aber keiner traf mich (es handelte sich
vermutlich nur um
explodierende Munition). Ich kam runter in einem stark
bewaldeten Gebiet,
verfehlte aber die Bäume und landete mitten auf einer
schmalen, nicht
asphaltierten Straße. Ich krabbelte ins Unterholz, um mich zu
verstecken. Ich
konnte hören, wie in einiger Entfernung Leute schrien und
Krach machten. Sie
bildeten einen großen Kreis, und innerhalb einer halben
Stunde hatten sie mich
gefunden. Sie fingen an, mich zu schlagen und zu treten, benutzten
dabei Stöcke
und Steine, spuckten mich an und zerkratzten mein Gesicht. Ein Mann
sprach
Englisch; er sagte, er sei bei der Gestapo, und fragte mich,
ob ich meine 45er
bei mir hätte, damit sie mich damit töten
könnten, aber an dem Tag hatte ich
sie nicht dabei.
Nach einiger Zeit und
vielen Schlägen kam ein Soldat mit einem kleinen Auto,
vermutlich einem VW, in
den Wald. Er schrie und diskutierte mit den Leuten - es waren
ungefähr 75 bis
80. Dann schob mich der Soldat auf den Rücksitz seines Wagens.
Obwohl er nicht
sehr sanft mit mir umging, war ich ihm doch dankbar, denn er rettete
mir das
Leben. Wir fuhren in ein kleines Dorf, das nur aus einer
Hauptstraße und ein
paar Häusern bestand. Das Auto hielt an, und ein paar Leute
rissen mich heraus.
Unser Kugelturmschütze Robert Mattice (sprich: Mettais) lag
mit einem gebrochenen
Bein in einem kleinen Handwagen, der mitten auf der Straße
stand, umgeben von
vielen Menschen. Sie zwangen mich, ihn im Wagen die Straße
hinauf und hinab zu
ziehen. Während ich dies tat, warfen sie mit Steinen nach mir
und schlugen mit
Stöcken auf mich ein. Nach einer Weile steckte mich der Soldat
wieder in sein
Auto, brachte mich nach Saarbrücken - so vermute ich - und
sperrte mich mit
anderen Crewmitgliedern ein. Ein Oberst der Luftwaffe wollte mich
verhören,
aber er verstand meine Sprache nicht. Als er mich fragte, wie alt ich
sei,
sagte ich es ihm: 21. Abends mußte ich auf die Toilette. Man
führte mich aus
dem Gefängnis hinaus zu einem kleinen
Häuschen, das an einem Hang lag.
Der
„Soldat", von
dem Atkins schreibt, war der Hüttersdorfer Polizist Peter
Lehnert. Atkins hat
ihn mir während eines Telefonats als großen Mann
(„big man") beschrieben,
was voll zutrifft. Lehnerts Tochter, Elsbeth Schmitt, berichtet, was
ihr der
Vater erzählte. Lehnert fuhr in den Wald und verhinderte dort,
daß der verwundete
Amerikaner, der im Baum gelandet war, gelyncht wurde. Er brachte den
Verwundeten
in ein nahes Dorf, fuhr in den Wald zurück und holte auch
Atkins heraus, keine
Minute zu früh, wie es scheint.
Oberer MG-Turm-Schütze
Williamson in Körprich?
William F. Williamson
war der einzige der Besatzung, der durch den Absturz nicht verletzt
wurde.
Leider gibt es keine Möglichkeit, mit ihm zu sprechen. Laut
Angaben seiner
ehemaligen Kameraden hat er jeglichen Kontakt mit ihnen schon vor
Jahren
abgebrochen und reagiert auf keinen Anruf oder Brief. Ich kann nicht
mit
Bestimmtheit sagen, daß er in Körprich landete, aber
daß er nicht verletzt war,
spricht dafür.
Maria Klein aus
Bettstadt war damals etwa 18 und hielt sich im Haus auf, als die
Explosion
erfolgte. Ihr Vater lief vor die Tür und deutete zum Himmel
über dem Nachbarort
Körprich: „Da hängen drei!" Er meinte damit
die Fallschirme. Diese drei
gingen in der Körpricher Gemarkung „Vorm Bruch"
herunter. Der Vater lief
auch gleich dorthin, hieß aber seine Kinder, im Haus zu
bleiben. Diese
gehorchten (leider).
Josef Paul aus Körprich
ist Jahrgang 1926 und war damals 18 Jahre alt. Er hatte bereits als
Luftwaffenhelfer bei der Flak gedient, zunächst am Bouser
Berg, dann in
Frankfurt-Höchst. Wie andere seines Jahrgangs wartete er
zuhause auf seine
Einberufung zum Militär. Er kam später zu
den Fallschirmspringern und erlebte
die Ardennen-Offensive mit. Am 9. März 1945 wurde er in einem
kleinen Ort kurz
vor der Brücke von Remagen durch die Amerikaner gefangen
genommen und
verbrachte seine Kriegsgefangenschaft in Frankreich.
Der Ort Knorscheid
besitzt zwei Mühlen, die Knorscheider Mühle und die
Quirinsmühle. An diesem Tag
stand Paul in einer Reihe mit anderen Bauern der Umgebung, um in der
Mühle Getreide
dreschen zu lassen. Sie sahen das Flugzeug, hörten die
Explosion. Zwei
Fallschirme kamen herunter - einer über Primsweiler, einer auf
einem Feld nahe
der heutigen Hüttersdorfer Straße (heutiges Anwesen
Arthur Paulus) in Körprich.
Die Landestelle auf dem Feld war etwa 300 m von Paul entfernt. Er
ließ alles
stehen und liegen und rannte zusammen mit einem
französischen Fremdarbeiter in
Richtung des gelandeten Fliegers. Der Franzose hatte ein paar Meter
Vorsprung
und erreichte ihn daher eher. Als Paul ankam, hatte er den
verängstigten Mann
schon gefilzt und ihm mindestens die Armbanduhr vom Arm gezogen. Paul -
der ein
wenig Englisch von der Schule her konnte - beruhigte den Amerikaner mit
den
Worten: „For you the war is over!" Der Amerikaner zitterte
wie Espenlaub.
Einer der ersten, der
sich dann näherte, war KG, eine der
Nazi-Größen des Ortes. Er war in Uniform
und völlig außer Atem. „Wenn ich als
erster hierher gekommen wäre, würde er
nicht mehr leben", stieß er atemlos hervor. Das erboste Paul,
der ihm
erwiderte: „Du - hast Du denn schon jemals einen
Schuß gehört? Was unterstehst
Du Dich, so etwas anzudrohen? Wenn Du schießen willst, dann
aber ganz bestimmt
nicht hier!" Diese Anspielung auf seine Nicht-Teilnahme am 2. Weltkrieg
als Soldat, was er seiner Parteizugehörigkeit zu verdanken
hatte, brachte KG
schnell auf 180.
Von Nalbach her näherte
sich der Polizist Adam auf seinem Motorrad mit Beiwagen, in
dem der Nalbacher
Friseur Mende saß. Mende war ziemlich klein und hatte einen
schiefen Rücken.
Als er den Amerikaner sah, holte er einen Karabiner aus dem Beiwagen,
lief zu
dem Gefangenen und versetzte ihm einen Schlag. Bevor er erneut
zuschlagen
konnte, schritt Paul ein. Er wandte sich an den Polizisten, der
regungslos
dabeistand, und erinnerte ihn an seine Pflichten, auch in Hinsicht auf
die
Bestimmungen über die Behandlung von Kriegsgefangenen nach der
Genfer Konvention.
Obwohl Adam ziemlich ruhig blieb, wurden die anderen beiden - KG und
Mende -
immer lauter und aggressiver. Der Zorn des Volkes richtete sich jetzt
nicht mehr
gegen den Ami, sondern vielmehr gegen Josef Paul. Dem kam seine
Schwester zu
Hilfe, in dem sie sich vor ihn stellte. Damit geriet sie allerdings
auch in die
Ziellinie. Während sich dieser Disput abspielte, hatte sich
die Menge immer
weiter in Richtung Dorfmitte bewegt, wo der Amerikaner
schließlich weggebracht
wurde. KG sagte ein paar Stunden später, er werde die Kinder
vom Paul Matz
(Matthias Paul war Josefs Vater) dorthin bringen, wo sie
hingehörten, und
versetzte damit Josefs Mutter in helles Entsetzen. KG setzte gleich am
nächsten
Morgen beim Kreisleiter seinen Einfluß als
Parteimitglied ein, und drei Tage
später erhielt Paul seinen Stellungsbefehl.
Nach Körprich kam nur
dieser eine Amerikaner; ob allerdings am Homrich oder „Aufm
Bruch" noch
weitere Abspringer landeten, ist nicht sicher.
Katharina Scholer aus
Körprich erzählt, daß einer der Amerikaner
sich in einem „Kornkasten" (zum
Trocknen aufgestelltes und zusammengebundenes Getreide) auf dem
Kornfeld ihrer
Eltern versteckt hatte. Die Leute, die ihn suchten, warfen
daraufhin alle
Kornkasten um, bis sie ihn gefunden hatten. Ein Mann, nicht aus
Körprich, war
mit einem Motorrad dabei. Man zog dem Ami die Stiefel aus und setzte
ihn in den
Beiwagen. Dann fuhren sie ihn in die Hüttersdorfer
Straße, wo er schon von
etlichen Körprichern erwartet wurde: „Da kommen
sie". Er wirkte völlig
eingeschüchtert und verängstigt. Eine Frau
aus Körprich rief dauernd: „Schlagt
ihn tot."
Doc
Mosely in Dillingen.
Der
Navigator Mosely
wurde bei der Explosion zusammen mit dem Bombenschützen Cobb
aus dem Flugzeug
geschleudert. Während Cobb seine Reißleine wie
geschildert erst sehr spät zog,
öffnete Mosely direkt seinen Fallschirm. Er trieb mit dem Wind
über Hüttersdorf
hinweg nach Westen ab Richtung Saar. Er landete in einem Wald,
versteckte
seinen Fallschirm und orientierte sich mit seinem Kompaß nach
Westen. Dann
marschierte er los. Unter Ausnützung der
größtmöglichen Deckung und immer auf
der Hut davor, von irgendjemandem entdeckt zu werden, erreichte er nach
vielen
Umwegen zwei Tage später das Ufer der Saar nördlich
zwischen Dillingen und
Beckingen. Vor sich sah er die beiden Brücken, die bei
Rehlingen die Saar überspannten.
Beide Brücken waren bewacht, er konnte Wachen patrouillieren
sehen. Er wartete
auf seine Chance, die aber nicht kam. Frustriert, müde und vor
allen Dingen
hungrig gab er die Brücken auf und wanderte am Saarufer
entlang nach Süden auf
der Suche nach einer anderen Möglichkeit. Aber auch die
Fährstation war
bewacht, so daß er sich schließlich total
erschöpft am Saarufer hinsetzte und
auf seine Gefangennahme wartete.
Am Morgen des 7. August
1944 - es war ein Samstag - spazierte der 60-jährige Jakob
Trenz aus Bildstock,
der bei seinem Bruder Paul Trenz in Dillingen-Pachten,
Wilhelmstraße 19, zu
Besuch war, mit seinem Enkel Dietmar Grandmontagne, damals 5
Jahre alt, am
Ufer der Saar entlang, nicht weit von ihrem Haus entfernt. Schon von
weitem
sahen sie, daß dort am Ufer ein Mann saß, der eine
fremdartige Uniform trug.
Der Amerikaner saß am Boden und studierte eine Karte, die vor
ihm lag. „Der
denkt bestimmt, er ist schon in Frankreich". Als er die beiden sah,
stand
er auf und erwartete sie. Er zitterte, aber ob vor Angst oder
Erschöpfung, war
nicht zu erkennen. Trenz brachte dem Amerikaner mit Händen und
Füßen, also auf
saarländische Art, bei, daß er sie
begleiten solle. Ohne zu Zögern folgte er
in die Dillingerstraße. Sie gingen hinauf in die
Küche, wo er einen Becher
Wasser und etwas zu essen erhielt. Schon nach fünf Minuten
traf Polizei ein,
die den Gefangenen wegbrachte.
Der
Bürgermeister von
Dillingen 07.08.1944 (KU 2615)
Polizeibehörde und
Schutzpolizei
Betreff: Gefangennahme
eines Fallschirmspringers, vermutlich Besatzungsmitglied Am 07.08.1944
gegen
10.00 Uhr wurde ein amerikanischer Fallschirmspringer von dem
pensionierten
Jakob Trenz, Einwohner von Bildstock, Adolf-Hitler-Str. 65
(momentan zu Besuch
bei Paul Trenz in Dillingen, Wilhelm-Str. 19) an der
Fährstation Pachten
gefangengenommen.
Der Gefangene wurde als
Lt. Daniel M. Mosely identifiziert, geboren am 17. Nov. 1919 in
Clearwater,
Fla, Serien-Nummer 0707306, Flugzeugtyp: Fortress. Der
Gefangene wurde einer
Flakeinheit übergeben, die bei Dillingen stationiert war
Samsel, Oberleutnant der
Reserve, Schutzpolizei Luftwaffenposten
Dillingen 07.08.1944
Von dem amerikanischen Gefangenen, der uns heute von der Polizei
übergeben wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht
werden, zu welchem Absturz
er gehört. Er gibt an, er sei aus dem Flugzeug geschleudert
worden. Er kann den
genauen Tag nicht angeben. Er gehört möglicherweise
zu der Besatzung der
Festung, die am 03.08.44, Dienstag, im Raum Schmelz in der Luft
explodierte. Er
kann keine Angaben über den Verbleib seines
Fallschirm und seine
Fliegerkombination machen. (Unterschrift nicht lesbar), Lt.,
Batteriekommandeur
Zwischen Landung und
Gefängnis - die amerikanischen Flieger in Lebach
Der
nächste Bericht
stammt vom Funker Billy Hardesty. Ich habe nicht herausfinden
können, wo er
mit seinem Fallschirm gelandet ist. Es ist nicht 1 OO-prozentig sicher,
daß die
nachfolgenden Geschehnisse in Lebach passierten. Einige Dinge
sprechen
allerdings dafür. Wie Co-Pilot Beals sagte, wurde er zusammen
mit dem verwundeten
Piloten von Primsweiler mit dem Auto nach Lebach gebracht. Die
nachfolgend
geschilderten Ereignisse fanden entweder noch in Primsweiler oder -
wahrscheinlicher
- in Lebach vor dem Krankenhaus statt, nachdem die Amerikaner den Lkw
verlassen
hatten, aber bevor sie das Gebäude betraten.
Hardesty: Als ich
mich dem Boden näherte, zog ich die Reißleine. Ich
war auf einem Kurs, bei dem
ich auf dem Dach eines Hauses mit ziemlich starker Neigung gelandet
wäre. Ich
wußte nicht, ob das funktionieren würde oder nicht,
aber ich ließ auf einer
Seite des Fallschirmes Luft entweichen. Damit entging ich dem sicheren
Tod,
weil ich sonst auf dem Dach gelandet und dann heruntergefallen
wäre.
Andererseits nahm durch das Herauslassen der Luft aus meinem Fallschirm
meine
Sinkgeschwindigkeit zu. Ich landete mehr auf dem rechten als auf dem
linken
Bein und verletzte meine rechte Hüfte. Sie tut immer noch weh.
Binnen einer
Minute oder noch weniger war ich von Zivilisten umgeben, jungen und
alten. Die
jungen fingen an, auf mich einzuschlagen. Sobald sie mich
niedergeschlagen
hatten, sprang ich wieder auf. Es dauerte eine Weile, bis ich mich
entschied
liegenzubleiben. Dabei erhielt ich ein paar Tritte, bis ein paar Leute
mit
einem Strick kamen. Ich sprach kein Deutsch, aber als sie mich in
Richtung
einiger Bäume trieben, bekam ich es mit der Angst zu tun, sie
wollten mich
aufhängen. Glücklicherweise rannten zwei Soldaten mit
Maschinenpistolen herbei
und holten mich dort raus. Die Soldaten brachten mich in ein Dorf, wo
andere
den Bordmechaniker schon in Gewahrsam hatten.
Ungefähr zu dieser Zeit kamen
Soldaten mit dem Piloten an; er hatte ein gebrochenes Bein und war mit
einem
Messer gestochen worden. Kurze Zeit später wurde der
Seitenschütze (McCrary)
hergebracht. Er war schlimm verprügelt worden, sein Kopf und
sein Gesicht waren
bis zum Ende der Nase zugeschwollen, so stark, daß man seine
Augen nicht sehen
konnte. Die Deutschen wollten, daß der Bordmechaniker und ich
den Piloten
tragen sollten, aber ich schaffte das nicht. Ich wäre
hingefallen, wenn ich
versucht hätte, auf meiner Seite anzuheben. Die Soldaten
brachten mich und den
Bordmechaniker zu einem Straßenbahnwagen und dann ins
Gefängnis. Ich sah den
Piloten und den Seitenschützen nie wieder. Ich glaube, ich
verdanke den beiden
Soldaten mein Leben.
Nach
der Gefangennahme
Die
Verwundeten wurden im Lebacher Krankenhaus versorgt und kamen am
nächsten Tag
- vermutlich per Auto oder Lkw - ebenfalls nach Saarbrücken
ins Gefängnis.
Dort blieben sie einen weiteren Tag. Dann ging es mit der Eisenbahn
nach Frankfurt
und mit der Straßenbahn weiter nach Oberursel im Taunus, wo
die Männer in der
Auswertestelle West in Einzelhaft gehalten und nacheinander
verhört wurden.
Anschließend wurde die
Gruppe auseinander gerissen und in verschiedenen Stammlagern
der Luftwaffe im
Osten des deutschen Reiches untergebracht:
Bombenschütze
Cobb
Am
nächsten Morgen
brachte man mich weg und schickte mich in eine Verhörstelle
(Oberursel im
Taunus). Auf dem Weg dorthin sah mich eine Dame auf der
Straße, rannte hinter
mir her und trat mich in den Hintern. Die Wachen lachten
darüber, und das war
gottseidank die einzige Mißhandlung, die ich erfuhr. Ich
wurde ein paar Tage lang
verhört. Man steckte mich in einen kleinen Raum ohne Fenster,
ohne Licht, ohne
Wasser. Eine Wache versuchte, mir den Airforce-Ring, ein Geschenk
meiner
Mutter, vom Finger zu reißen, wir stürzten
vorwärts und rückwärts durch den
Raum, und der Lärm machte eine andere Wache aufmerksam, der
uns unterbrach.
Niemand wurde verletzt, und ich behielt meinen Ring. Ich gab nur Namen,
Rang,
Dienstnummer an den Mann weiter, der mich befragte, aber er
versicherte mir,
er wisse mehr über mich und zwar meine Heimatstadt, und er
hatte recht. Er
erklärte, er stamme aus Chicago, hatte im Ford-Werk in
Hegewish gearbeitet und
war nach Deutschland gekommen, um seine Familie zu besuchen, als der
Krieg
ausbrach. Kurz darauf brachte man mich zum Frankfurter Bahnhof wo ich
einige
von meiner Crew wieder traf, von denen ich so erfuhr, daß sie
noch am Leben
waren. Man steckte uns in eine kleine Nische in der Wand.
Vorbeigehende Leute
hielten an, beschimpften und bespuckten uns, und einer
versuchte, Brackens
gegen sein gebrochenes Bein zu treten, aber ich trat vor und stellte
mich vor
Ralph, und der andere zog weiter. Wir fuhren sehr lange mit dem Zug und
wurden
auseinander gerissen, und nur Bill Beals und ich blieben zusammen in
SAGAN,
Stalag Luft 3.
Ich sah keinen von ihnen
wieder, bis der Krieg vorüber war. Bill und mich steckte man
in den britischen
Lagerteil. Wir blieben im gleichen Raum, bis wir auf den langen,
furchtbaren
Marsch durch die Kälte bei -35° Celsius ohne warme
Kleidung hinaus mußten.
Keine Nahrung außer Rot-Kreuz-Paketen, die wir selbst trugen,
bis wir so
schwach waren, daß wir sie wegwerfen mußten. Die
Schuhe, die ich erhalten
hatte, waren schlecht gefüttert, beide Fersen hatten
halb-Dollar-große blutende
Blasen, und die Schuhe froren ein, wenn man stehenblieb, und
die Blasen fingen
dann wieder an zu bluten, wenn sie auftauten. Das war die schlimmste
Zeit
meines Lebens, und eine Zeitlang dachte ich, ich
würde es nicht schaffen.
Einmal mußten wir anhalten, um einige Flüchtlinge
aus Polen durchzulassen, und
die Männer hinter uns wurden einige Kilometer weit in eine
falsche Richtung
geschickt. Es war stockdunkel, tiefgefrorene Spurrinnen im
Weg, jedesmal, wenn
du in eine Rinne trittst, fällst du und tust dir weh, so oft.
Eine Zeitlang war
ich bereit aufzugeben, mich hinzulegen, vielleicht zu sterben, aber ich
wurde
wirklich, wirklich böse, und ich ging weiter. Ich verfluchte
jedermann, fiel
und fluchte wiederum und war plötzlich am vorderen Ende der
Kolonne. Da
erkannte ich, daß ich viel härter geworden war und
härter und stärker für den
Rest meines Lebens sein würde. Es gab
Rückschläge, aber ich wurde erwachsen.
Meine Meinung über eure Stalags (Stammlager der Luftwaffe)
steht
auf einem anderen Blatt
Stalag
Luft 3 (Sagau bei
Breslau)
12 Mann in einem Raum,
gestapelte Betten, Strohmatten, schlechte, lauwarme Suppen,
wenn wir überhaupt
welche bekamen. Dunkles Brot, teilweise aus Sägemehl, 4
Scheiben, manchmal. Ich
kam am 3. August runter und blieb dort bis nach Weihnachten.
Wir machten uns
Eiskrem aus Schnee, ,,Klim " und Ananasmarmelade aus den
Rot-Kreuz-Paketen. Wir konnten nicht oft duschen, hatte Läuse,
keine Medizin
für Erkältungen oder andere Krankheiten, mein Knie
schwoll auf das doppelte seiner
normalen Größe an, es gab keine medizinische
Betreuung. Die Öfen hielten uns
nicht warm. Aber das machte uns hart für das Lager Nr. 7A.
Stalag
Luft 7A
(Nürnberg)
Das schlug dem Faß den
Boden aus. Überfüllte Baracken (hier hielt man
früher Italiener), flohverseucht,
kein Brennstoff für die Öfen. Deshalb fabrizierten
wir Sägen und stahlen die
Bretter der Waschhäuser und sägten Posten der inneren
Lagerzäune ab und
verbrannten sie. Keine Toiletten oder Wasser in den Barracken, und
nachts
durfte man nicht raus. Aber viele von uns rannten zu den Latrinen, wenn
die
Wache mit ihrem Hund am anderen Ende des Lagers war. Es gab einen Zaun
zwischen
uns und ihm und den Hunden, also wenn du gut weg- und wieder
zurückkommst,
kannst du es schaffen. Das war besser als Karten zu ziehen, um den
auszulosen,
der den großen Kübel ausleeren muß, der
nachts als Latrine herhalten mußte. Die
Bedingungen waren miserabel und hatten mit den Bestimmungen der Genfer
Konvention nichts gemein. Aber ich kann nicht sagen, daß ich
etwas über
Brutalitäten hörte. Die Appelle wurden hier
von einem Offizier abgehalten, der
- so glaube ich – LADOWITZ hieß. Wir nannten ihn
„Smiling Jack"
(lächelnder Jack) nach dem Held eines Comics. Die Appelle in
Stalag Luft 3
waren ebenfalls okay; sie wurden von einem Offizier namens „
GLIMLITZ"
oder „ GLEMLITZ" oder so ähnlich
durchgeführt, ebenfalls ein anständiger
Mensch und Soldat.
Stalag
Luft 17 (Moosburg
an der Isar)
Aber es war nahe
Österreich. Um diese Zeit waren wir fast alle extrem
müde, dreckig und unglücklich;
wir glaubten, daß das Schlimmste vorüber sei. Noch
schlimmer könnte es nicht
mehr kommen, und wir glaubten, der Krieg sei fast vorbei und wir
kämen bald
nachhause. Die wenigen Tage, die wir uns dort aufhielten,
verbrachten wir auf
einer ehemaligen Müllhalde, und der Boden unter uns war
heiß wie Feuer. Du
konntest einen Futternapf nehmen, den wir uns aus Blech hergestellt
hatten und
mit uns trugen, mit Essen, Wasser oder was auch immer füllen,
ihn in ein Loch
im Boden stellen, und innerhalb von Minuten kochte es. Und nur einen
Tag später
kam Patton und ließ uns hinaus. Wir gingen bis nach Landshut,
mußten einen
weiteren Tag auf unser Flugzeug warten, das sich wegen schlechtem
Wetter verspätet
hatte, dann ging es nach Frankreich und dann nachhause.
Am Schluß muß ich sagen, ich hatte schreckliche
Tage als KRIEGIE
(amerikanische Bezeichnung für ,, deutscher
Kriegsgefangener"), aber es machte
mich härter, obwohl ich 28 Pfund verlor.
Heckschütze Atkins
Spät
am nächsten Tag
brachte man uns mit einem Fahrzeug mit Holzvergaser zu einer
Eisenbahnstation,
die mehrere Meilen entfernt war, dann mit dem Zug nach Frankfurt und
mit der
Straßenbahn nach Ober-Ursel ins Verhörlager. Nach
drei Tagen wurden wir per
Bahn nach Wetzlar in ein Lager gebracht, wo wir Essen und Kleidung
erhielten,
etwa eine Woche später in einem Viehwaggon ins Stalag Luft 4
nach Kiefheide in
Ostpommern.
Am 6. Februar 1945 zwang
man uns auf einen Marsch, der bis zum 28. April dauerte. Unsere Wachen
hatten
uns bis zu den amerikanischen Linien gebracht und verließen
uns bei Bitterfeld.
Ich bin 1,89 m groß und wiege normalerweise 190 Pfund, aber
durch die schlechte
Behandlung und das geringe Essen wog ich noch 120 Pfund. Nach der
Befreiung und
einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt in Halle brachte man
mich nachhause;
ich kam Mitte Juni 1945 wieder zurück in die Staaten. Ich sah
keins meiner
Crewmitglieder wieder, nachdem wir Wetzlar im August verlassen
hatten.
Nach dem Krieg stieg ich
in die Nachrichten- und Fernsehbranche ein und blieb dort 35 Jahre
lang. Dann
ging ich in die Werbung und wurde 1983 für vier Jahre ins
Jacksonville City
Council gewählt. Dann war ich Chef der Werbung für
das ,,Jacksonville
Suns" Baseball-Team und ging 1991 in den Ruhestand. Ich hatte im
Dezember
1992 einen Schlaganfall, fühle mich aber wieder gut.
Am 16. Mai 1998 wurde
ich 74. Am 5. April feierten meine Frau und ich unseren 55
Hochzeitstag. Wir
haben drei Kinder, einen Jungen und zwei Mädchen, und
fünf Enkel. Ich schreibe
Country Musik und bin Inhaber eines kleinen unabhängigen
Aufnahmestudios,
„Alrington Records & Sanam Music BMI".
Funker
Hardesty
Vom
Gefängnis wurde ich
zu einem Gefängnis der GESTAPO (Auswertestelle West in
Oberursel) gebracht.
Dort wurde ich nicht geschlagen, aber oft getreten. Sie
wußten alles über mich
und versuchten, Informationen aus mir herauszubekommen. Sie glaubten
mir nicht,
aber ich wußte ihnen nichts zu erzählen. Irgendwann
merkten sie das auch, denn
sie behielten mich nur für einen Tag oder zwei, bevor sie mich
in einen
Kriegsgefangenen-Zug steckten, der nach Stalag-Luft-3 unterwegs war.
Das Gefängnis war
ziemlich langweilig. Ich war Staff Sargent, deshalb brauchte
ich nicht zu
arbeiten. Das schlimmste im Gefängnis war, daß es
nur sehr wenig zu essen gab
und das wenige schlecht schmeckte. Den Wachen - die meisten waren alte
Männer -
ging es aber auch nicht besser.
Ein Wachmann war
riesengroß. Er sprach kein Englisch. Manche Wachen waren dumm
wie Stroh, und
wir veräppelten sie viel. Wir nannten die Wachen ,,goons"
(Dummköpfe).
Wenn eine Wache zu einer Inspektion hereinkam, rief der erste POW, der
sie sah
„ Goons up ". Als der Riese hereinkam, lächelte er
und rief „ Goons up
". Ich glaube nicht, daß er ganz richtig im Kopf war, aber
ich hörte
Gerüchte, er sei von den Russen gefangengenommen und
enthauptet worden. Ich
glaube, es war am 29. Januar, als wir unsere Sachen aufnehmen und
losmarschieren mußten. Dieser Marsch wird von vielen als der
Todesmarsch
bezeichnet. Wir schliefen im Schnee oder in Schweineställen.
Viele Gefangene
ertrugen diese Tortur nicht. Ältere Männer
und Kranke waren die meisten Opfer.
Die Deutschen marschierten vor dem Feind davon, der am nahesten war.
Die
Alliierten und die Russen waren gleich weit entfernt. Wir
bewegten uns immer
von den Russen weg. Ich wurde am 2. Mai 1945 befreit. Alle
Crewmitglieder
überlebten und kamen wieder nachhause in die Staaten.
Nach
dem Krieg
Nach dem Krieg wurden
Jakob Sinnwell und ML verhaftet und kamen nach Saarlouis ins
Gefängnis. Helene
Wirth fuhr gleich am nächsten Morgen zum Amtsgericht
in Saarlouis, wo auf ihre
Aussage hin Sinnwell wieder freigelassen wurde. ML kam nach Dachau, wo
ihm der
Prozeß gemacht wurde. Leute aus Hüttersdorf und
Primsweiler mußten dort als
Zeugen aussagen. Morgens um sechs Uhr mußten sie sich in
Saarbrücken auf dem
Rathaus melden und wurden dann von hier nach Dachau bei
München zur Verhandlung
gebracht. ML verschwand für zwei Jahre von der
Bildfläche.
Für KG in Körprich kam
das dicke Ende nach dem Krieg während der
Besatzungszeit durch die Franzosen.
Französische Polizisten kamen in den Ort und
erkundigten sich nach Josef Paul,
der aber nicht zuhause war. Von einem Nachbarn erfuhren sie die
tatsächliche
Geschichte. Daraufhin fuhren sie zu KG und hielten auf ihre Art
„Gericht".
Am Abend des 18. März
1945 beobachtete Richard Dickmann, wie der Ortspolizist Peter
Lehnert am
Ortsrand in einem Splittergraben eine große Tüte
„versenkte". Er nahm
eine Leiter, stieg hinein und zog das Bündel wieder heraus. Es
handelte sich um
eine amerikanische Bomberjacke, die Lehnert dort verstecken wollte,
weil die
Amerikaner kurz vor Hüttersdorf standen. Dickmann nahm sie mit
nachhause. Seine
Mutter trennte die Nähte auf und benutzte das Teil viele Jahre
lang als Bettvorleger.
Leider ging für Peter
Lehnert die Geschichte nicht so aus, wie es Dickmann in seiner
Erzählung
beschreibt. Er saß etwa ein Jahr in Theley und wurde von dort
nach Neunkirchen-Bildstock
verlegt. Nach seinem Gefängnisaufenthalt kam er zur
Erholung ins Krankenhaus.
Er war auch später wieder Polizist, bis er 1956 an einem
Herzinfarkt starb. Der
Retter aus Amerika aus Richard Dickmanns Geschichte ist nie gekommen.
Noch lange Zeit nach dem
Absturz gab es Teile des Flugzeuges im Ort. 1947 benutzten Kinder Teile
der
Tragfläche, um bei der Hochzeit eines Witwers
„Schalwari ze klobbe".
Augenzeugen USA
Billy M. Hardesty,
Daniel M. Mosely, San Bernadino, CA James
Atkins,
Deutschland
Benno
Altmeyer,
Bettingen
Maria
Berwian, Körprich
Albert
Eisenbart, Lebach
Dietmar
Grandmontagne,
Dillingen
Werner
und Alwine
Hölzer, Nalbach-Piesbach:
Maria
Klein, Bettstadt
Josef
Paul, Körprich
Frau
Reuter, Primsweiler
Elmar
Schmitt,
Schmelz-Hüttersdorf
Elsbeth
Schmitt, Schmelz
Hermann
Schmitt,
Schmelz-Hüttersdorf
Leo
Schuler, Körprich
Helene
Wirth,
Primsweiler
Für
die Mithilfe bedanke
ich mich bei allen Augenzeugen und Klaus
Zimmer, St.
Ingbert-Hassel
Werner
Eckel, Limbach
Cornelia
Hoffmann,
Nonnweiler
Agnes
Rammacher,
Baltersweiler (+)
Daniel
Müller,
Landsweiler
Doris
Jackson, College
Park, Maryland, USA
meiner
Frau Anne